Lüneburg. Vor drei Wochen herrschte im Kampf gegen Corona noch Optimismus: Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) hielt ein Ende der Priorisierung spätestens im Juni für möglich. Das Land wolle möglichst bald allen Bürgern über 16 Jahren ein Impfangebot machen können. Jetzt hat das Ministerium den kommunalen Impfzentren eine Art Zwangspause verordnet – fast nur noch Zweitimpfungen sollen bis Juni möglich sein. Der Frust in Lüneburg, aber auch in den Impfzentren in Winsen/Luhe oder Buchholz ist groß.
Das Lüneburger Impfzentrum erhält bis Anfang Juni nur 13 410 Impfdosen, davon sind fast alle für Zweitimpfungen vorgesehen. Das bestätigte Oliver Grimm, Sprecher des Gesundheitsministeriums, gegenüber der LZ. Konkret gehen an folgenden Tagen folgende Vakzine ans Impfzentrum Lüneburg:
Biontech: 3510 Dosen am 19. Mai, 5850 Dosen am 28. Mai, ausschließlich Zweitimpfung.
Moderna: 300 Dosen am 19. Mai, 1200 Dosen am 26. Mai, 1100 Dosen am 1. Juni, ausschließlich Zweitimpfung.
Astrazeneca: 100 Dosen am 18. Mai, 700 Dosen am 25. Mai für Erstimpfung, 200 Dosen für Zweitimpfung, 500 Dosen am 1. Juni für Erstimpfung.
Anders ausgedrückt: Bis Anfang Juni können sich nur 1100 Personen erstmals impfen lassen – mit Astrazeneca. 12 310 weitere Dosen werden als Zweitimpfung verabreicht. Dabei sind die Kapazitäten in Lüneburg deutlich höher: Bis zu 8000 Impfungen pro Woche wären möglich, wenn es denn genug Impfstoff gäbe, hatte Mirko Dannenfeld, Leiter des Impfzentrums, betont.
Auf der Warteliste bei den Ärzten
In Winsen/Luhe und Buchholz sieht es noch schlechter aus: Bis 6. Juni gibt es weder Biontech noch Moderna, sondern insgesamt nur 1600 Dosen Astrazeneca. Allerdings besteht noch etwas Hoffnung für all jene, die auf den Wartelisten ihrer Hausärzte stehen. Wie viel Impfstoff die Ärzte in Stadt und Landkreis bestellt haben und wie viel sie letztlich erhalten, ist allerdings nicht bekannt. „Das ist auch für uns eine Art Black Box“, sagt Oliver Christoffers von der Bezirksstelle Lüneburg der Kassenärztlichen Vereinigung (KVN). Denn die Ärzte würden den Impfstoff bei Apotheken bestellen. Wer am Ende wie viel bekommt, ist nicht bekannt, sagt Christoffers. Auch ein Anruf beim Landesapothekenverband brachte kein Licht ins Dunkel. „Wir können dazu leider nichts sagen, uns liegen keine entsprechenden Zahlen vor“, hieß es in Hannover auf LZ-Anfrage.
Scharfe Kritik an Böthers Aussagen
Bekannt ist dagegen, wie viele Impfungen das Lüneburger Impfzentrum seit Jahresbeginn verabreicht hat: 65 854 (Stand: 14. Mai). Fast genau so viele Impfungen haben die Ärzte im Bereich der KVN-Bezirksstelle Lüneburg innerhalb von nur sechs Wochen verabreicht: 61 930 Impfungen (Stand: 17. Mai). Die Bezirksstelle umfasst die Landkreise Lüneburg, Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Harburg.
Bekannt ist auch die Empörung in Lüneburg. „Die Menschen in Priorität 3 müssen warten, weil Bund und Land den Impfstoff lieber pauschal an die Ärzteschaft geben als auf gut eingespielte und transparente Strukturen in den Corona-Impfzentren zu setzen“, hatte Landrat Jens Böther gesagt. Das sorgte für Empörung bei einigen Ärzten. In einem Leserbrief an die Lüneburger Landeszeitung schrieb Dr. Eike Martin Quehl aus Salzhausen, dass die Anordnung aus Hannover nichts mit Einstampfen oder Zurückstufen von Impfzentren zu tun habe, sondern schlichtweg mit relativ gesehen zu wenig Impfstoff. Quehl betonte: „Entweder Herr Böther hat überhaupt keine Ahnung von der Organisation und Verteilung der Impfungen oder er nutzt die Gunst der Stunde, um seinen politischen Zielen Gehör zu verschaffen und seine Pfründe zu sichern.“ Der Mediziner begründet aber auch den Schritt in Hannover: Vor sechs Wochen hätten Ärzte mit Erstimpfungen begonnen, daher würden nun mehr Dosen für die Zweitimpfungen gebraucht. Denn diese seien Erstimpfungen vorzuziehen. „Schon ist bei gleichbleibender Impfstoffmenge der Mangel für Erstimpfungen da.“ Für Quehl steht fest: „Nur gemeinsam werden wir schnell ans Ziel kommen, und wir hoffen, dass die Politik weniger Neid säen und mit weniger Egoismus und unnötigem Aktionismus, sondern Pragmatismus auffallen wird.“
Der Mediziner Benjamin Panteli, ebenfalls aus Salzhausen, betont, dass es zu wenig Impfstoff gibt. Dieser Fakt werde hier „leider verschleiert und dazu noch eine Berufsgruppe verunglimpft“. So schwinge mit, dass es in den Arztpraxen ineffizient und intransparent zugehe. „Die Politik täte gut daran, damit aufzuhören, Impfzentren gegen Praxen auszuspielen und einzuräumen, dass wir den Mangel verwalten: Auch in den Praxen gibt es in der kommenden Woche kaum noch Impfstoff für Erstimpfungen.“
Wann endlich mehr Impfstoff nach Niedersachsen geliefert wird, ist noch unklar. Bis Juni bleibt es also beim Prinzip Hoffnung. Von Werner Kolbe
