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Am 31. Oktober ist für Gastwirt Alfred Kruse in Scharmbeck Schluss. Sein Hotel und Gasthaus sind verkauft und weichen drei Wohngebäuden. Foto: rin

Alfred Kruse hat Scharmbecker Traditionsgasthaus an einen Hamburger Investor verkauft

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Scharmbeck. Das Telefon in der verwaisten Gaststube klingelt nur noch selten im Gasthaus Kruse in Scharmbeck. Kein Wunder, Corona hat für eine monatelange Auszeit gesorgt. „Und wir werden die Gaststätte auch nicht mehr aufmachen“, bestätigt Alfred Kruse jetzt gegenüber dem WA.
Corona sei allerdings daran nicht schuld, macht der 64-jährige Gastwirt deutlich. „Aber Corona hat sicher dafür gesorgt, dass wir uns mehr mit unserer Zukunft beschäftigt haben“, sagt Kruse. Ergebnis: Es gibt keine Nachfolger, und deswegen hat Alfred Kruse das Scharmbecker Traditionsgasthaus verkauft.
„Mit dem 31. Oktober ist Schluss“, erzählt Kruse unaufgeregt. Er sei mit sich und seiner Entscheidung im Reinen. „Unsere Kinder haben uns schon vor Jahren gesagt, dass sie den Betrieb nicht weiterführen möchten; und eine Verpachtung kommt für uns nicht in Frage.“ Zu viele Investitionen stünden in den nächsten Jahren an.
Kruse wohnt mit seiner Frau auch auf dem 2400 Quadratmeter großes Areal im Herzen des Dorfs. Eine Bauvoranfrage wurde ihm positiv beschieden. Ein Hamburger Investor griff zu und wird auf dem Gelände des Gasthauses und Hotels ab November drei Wohngebäude errichten. Dafür wird der bestehende Komplex komplett abgerissen.
Verordnungen verderben die Freude an der Arbeit
1924 kam Kruses Großvater nach Scharmbeck, übernahm die schon seit 1835 bestehende Schankwirtschaft. 1985 wurde das Gasthaus um das Hotel erweitert. Das betreibt Kruse auch momentan noch. „Das läuft sogar noch einigermaßen, aber die vielen Verordnungen haben meiner Frau und mir auch ein bisschen die Freude genommen“, schildert Alfred Kruse, denn seinen Job macht der gelernte Hotelfachmann nämlich eigentlich sehr gerne. „Von meiner Generation hat man damals noch erwartet, dass der Sohn den Betrieb der Eltern übernimmt. Das war halt so“, erinnert sich der 64-Jährige. Mit Ehefrau Angela übernahm er 1995 den Betrieb von seinen Eltern. Seinen Kindern wollte er diesen Zwang aber nicht auferlegen, obwohl sie sogar teilweise ihre Ausbildung in der Gastronomie absolviert haben.
Mitte März vergangenen Jahres richtete man im Scharmbecker Gasthaus die letzte große Feier aus. „Danach mussten wie pandemiebedingt bestimmt 40, 50 Feiern absagen. Irgendwann kamen dann schon gar keine Anfragen mehr“, erinnert sich Alfred Kruse. Der Wandel in der Gastronomie sei aber schon älter, meint er. „Anfang der 1980er-Jahre hat der Prozess begonnen. Das Essen à la carte im Gasthaus wurde weniger. Als dann das Rauchen in Lokalen verboten wurde, änderte sich das Verhalten der Gäste noch einmal. Die Verweildauer wurde viel kürzer.“
Die Feiern auf dem Saal seien aber immer geblieben. Das Gasthaus Kruse steht für Tradition – in der Küche und auch bei den Festivität. „Wer zu seiner Hochzeit mit dem Hubschrauber einfliegen wollte, der war bei uns nie richtig“, meint der Wirt, der kein Freund solcher „Mega-Events“ ist, grinsend.
Von 13 dörflichen Bällen ist nichts mehr übrig
Verändert hat sich auch das Vereinsleben. Kruse hat mal nachgezählt: E20inst gab es 13 dörfliche Bälle, die natürlich auf dem Saal im Gasthaus Kruse gefeiert wurden. Davon ist nichts mehr übrig geblieben. „Die Sportvereine haben heute ihre eigenen Vereinsheime, der Erntefestverein feiert im Festzelt“, nennt er als Beispiel. Und auch dauerhafte und verlässliche Aushilfen zu finden, sei längst nicht mehr so einfach wie früher. „Wir wussten zum Glück hier ein tolles Team hinter uns“, sagt Kruse und wird dann doch ein kleines bisschen wehmütig. Denn auch viele Gäste bedauern die Schließung des Gasthauses mit der gutbürgerlichen Küche.
Gelebt hat er nie groß woanders. „Erstaunlich, dass es mir am Ende gar nicht so schwer gefallen ist loszulassen“, wundert Kruse sich schon ein bisschen. Und dann klingelt es doch noch mal, das Telefon, und Alfred Kruse gibt einem potenziellen Hotelgast Auskunft, was denn gerade erlaubt ist – und was nicht. Von Kathrin Röhlke