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Stein des Anstoßes: Besonders an der Müllumschlaganlage in Nenndorf staut sich an Sonnabenden der Anlieferverkehr fast bis zur Autobahn. Foto: kr

Gute Nachricht nach langer Diskussion: Fachausschuss will Freimenge für Grünabfall erhöhen

Landkreis. Gute Nachrichten für alle Gartenbesitzer: Der Landkreis Harburg will die Freimenge für die Entsorgung von Grünabfällen auf den kreiseigenen Anlagen von 0,5 auf einen Kubikmeter verdoppeln und für noch größere Mengen eine Gebühr erheben. Zu diesem Entschluss kam am Montagabend der Umwelt- und Klimaausschuss nach langer Diskussion, der damit die Verkehrsprobleme rund um die Entsorgungsanlagen in den Griff bekommen will.
„So eine Dichte an Anträgen zu Grünabfällen gab es meines Wissens nach noch nie“, stellte Kreisrat Josef Nießen zu Beginn der Sitzung fest. In der Tat hatte der Fachausschuss gleich sieben Unterpunkte zu dem Thema abzuarbeiten, nahezu alle Fraktionen hatten Anträge gestellt. „Auch wenn wir nicht vergessen sollten, dass wir schon ein gutes Abfall- und Gebührensystem haben, entbindet uns das natürlich nicht davon, dass Ohr am Puls der Zeit zu haben“, so Nießen. Denn die Probleme wurden erst am vergangenen Sonnabend wieder sichtbar: In Nenndorf staute sich der Verkehr von der Müllumschlaganlage bis fast zur Autobahnauffahrt.
Weniger Abfall, mehr Anlieferer
Doch bevor die Kommunalpolitiker in die Diskussion einsteigen konnten, nahm Frank Sameluck, Betriebsleiter der Abfallwirtschaft, Stellung zu den Anträgen. Demnach sei die Überprüfung landkreisfremder Anlieferer zeitlich zu aufwendig, der Umbau der Fläche eins in Nenndorf schwer umsetzbar und die Verlängerung der Öffnungszeiten personell kaum darstellbar. Auch bei der Erhöhung der Freimenge seien laut dem Betriebsleiter einige Punkte zu beachten. Die Lagerkapazität in Ardestorf und Hanstedt sei begrenzt, was dazu führen werde, dass bei einer größeren Menge Anlieferungen mehr Zwischentransporte zum Kompostplatz nach Tostedt eingeplant werden müssten. Besonders interessant waren zwei Werte, die Sameluck präsentierte: Die Grünabfallmenge pro Kunde sei um 35 Prozent gesunken, die Zahl der Anlieferer hingegen gestiegen.
Bei all den Zahlen und Fakten gestand auch Christa Beyer (SPD): „Das ist schon ein sperriges Thema, da verliert man fast die Übersicht.“ Trotzdem war sich der Großteil des Fachausschusses einig, dass die Erhöhung der Freimenge von 0,5 auf einen Kubikmeter verdoppelt werden soll. Für Arno Reglitzky (FDP) geht diese Lösung aber nicht weit genug. Er fordert nach den langen Diskussionen und den vielen erkannten Engpässen endlich Konsequenzen: „Der einzige Ausweg ist wohl eine komplett neue Anlage, bei der Lagerkapazität und Verkehrswege richtig geplant werden müssen.“ In dieselbe Kerbe schlug auch Willy Isermann (CDU).
Kompostierung statt Entsorgung
Einzig die Grünen wollten der Erhöhung der Freimenge nicht zustimmen. Laut Elisabeth Bischoff müsse die Grünabfallbeseitigung insgesamt neu geplant werden und rückte dabei insbesondere die Kompostierung im eigenen Garten in den Fokus. „Das ist ein Feld, das noch viel mehr gefördert werden muss“, so Bischoff. Auch die Schredderaktionen der Kommunen müssten in dem Zusammenhang ausgebaut werden. Das sei laut Sameluck allerdings gar nicht so einfach. „Wir haben schon versucht, den Bürgern die Eigenkompostierung schmackhaft zu machen, das gestaltet sich aber sehr, sehr schwierig“, so seine Erkenntnisse. Es gebe bereits eine entsprechende Broschüre beim Landkreis, die kaum nachgefragt werde. „Wir prügeln da auf einen lahmen Gaul ein“, so Samelucks Einschätzung.
Der Kreisrat versuchte schließlich, die Diskussion zu einem Ende zu moderieren. „Den einen Königsweg gibt es nicht“, lautete sein Fazit. Der Handlungsbedarf sei groß, da die Nachfrage im Bereich der Grünabfallentsorgung steige. „Im ersten Lockdown hatten wir mehr Anfragen, die Annahmestellen wieder zu öffnen statt beispielsweise Tierparks“, erinnerte sich Nießen. Er sieht den Landkreis mit Blick auf die „gute Entsorgungsinfrastruktur“ vor einem selbst gemachten Luxuspro­blem. „Wir sind in dieser Hinsicht Opfer unseres eigenen Erfolges.“ Fünf dezentrale Anlagen sowie die zusätzliche Straßensammlung könnten sich im kommunalen Quervergleich sehen lassen, so der Kreisrat.
Mit elf zu zwei Stimmen winkte der Ausschuss die Mengenerhöhung durch. Für Anlieferungen über einen Kubikmeter soll eine Gebühr erhoben werden, auch diese Entscheidung fiel mit klarer Mehrheit. Umgesetzt werden soll diese Planung mit dem nächsten Gebührenhaushalt. Zudem soll geprüft werden, wie eine möglichst große Barrierefreiheit bei der Entsorgung geschaffen werden kann.  Von Dominik Heuer

[box type=“shadow“ align=“alignright“ class=““ width=“330″]Kommentar

Von Dominik Heuer

Die Nachricht über die Erhöhung der Freimenge für Grünabfälle dürfte einige Gartenbesitzer freuen. Doch am eigentlichen Ziel, die erheblichen Verkehrsprobleme an den Entsorgungsanlagen in den Griff zu bekommen, geht diese Entscheidung vorbei. Der Ausschuss will auf diesem Weg die Zahl der Doppel- oder Mehrfachfahrer minimieren, bei denen mehr Gartenabfälle anfallen als kostenlos abzugeben sind. Das soll dann zu weniger Verkehr vor den Entsorgungsanlagen und damit zu weniger langen Staus führen. Soweit der (noch) plausible Plan. Doch das eigentliche Problem ist offenbar ein ganz anderes. Die wichtigste Erkenntnis lieferte Betriebsleiter Frank Sameluck in seiner ausführlichen Analyse: Immer mehr Leute liefern immer weniger Müll an. Das bedeutet also, dass nicht die Menge des Abfalls pro Kopf das Problem ist, sondern die Zahl der Anlieferer. Ob diese nun mit der Erhöhung der Freimenge derart beschnitten wird, dass der Verkehr wieder normal fließen kann, darf zumindest stark bezweifelt werden. Im Landkreis Harburg sprießen immer mehr Baugebiete aus dem Boden, die meisten dieser Grundstücke verfügen über einen kleinen Garten. Dass in dem Zusammenhang auch die Auslastung der Entsorgungsanlagen an ihre Grenzen stößt, ist nur nachvollziehbar. Dass dort nun Handlungsbedarf besteht und der Ruf nach einer neuen, zusätzlichen Anlage laut wird auch. Der Entschluss im Fachausschuss wirkt wie eine Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner in dieser schwierigen Thematik. Es sollte um jeden Preis eine Entscheidung her, doch eine echte Lösung gab es nicht.[/box]