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125 Jahre lang wurden im Gasthaus Harms Elbmarscher und Ausflügler am Elbdeich bewirtet. Im Herbst ist endgültig Schluss. Foto: po

Schwinder Gasthaus Harms schließt nach 125 Jahren zum Ende des Jahres

Schwinde. So mancher Elbmarscher hat in den vergangenen Wochen erstaunt beobachtet, dass die Anbauten an das Gasthaus Harms am Schwinder Elbdeich – Saal, Kühlhaus und Clubraum – dem Abrissbagger zum Opfer gefallen sind. 125 Jahre alt wird das Gast- und Fährhaus im kommenden Monat. Und auch wenn die Tage, in denen in dem roten Backsteinhaus am Deich Gäste bewirtet werden, gezählt sind: Das Gebäude bleibt erhalten und wird zur neuen Heimat für viele Elbmarscher – alte und neue.
Vor 28 Jahren hatte Heike Harms das Gasthaus von ihren Eltern übernommen. Ihre älteren Brüder hatten abgewunken, also übernahm die damals 30-Jährige den Betrieb und führte ihn in vierter Generation weiter. Schon seit einigen Jahren steht fest, dass es innerhalb der Familie keinen Nachfolger für den Gasthausbetrieb geben wird. Den Betrieb zu verpachten kam für Heike Harms, die mit ihrer Mutter Anneliese über dem Gasthaus lebt, nicht in Frage. „Ich glaube nicht, dass das gut gehen kann, wenn der alte Besitzer und der neue Pächter so eng aufeinander hocken“, lacht die Schwinderin.
Am Deich entstehen 15 barrierefreie Wohnungen
Also überlegte sie, was ihr für die Zukunft wichtig ist: Ihr Elternhaus, das aus jedem Stein Elbmarscher Geschichte atmet, zu erhalten und ihre Mutter nicht zu verpflanzen und der Elbmarsch etwas zu geben, was die gerade dringend benötigt: Barrierefreien Wohnraum für all diejenigen, die nicht mehr im viel zu großen Eigenheim zurechtkommen. Aus dem Kontakt zu einem Kunden ihrer Genusshandwerkerei, die kulinarisch für große Events in Hamburg und Lüneburg sorgt, ergab sich eine Möglichkeit, die schon vor einigen Jahren der Öffentlichkeit vorgestellt wurde: Das alte Gasthaus wird erhalten, entkernt und in barrierefreie Wohnungen umgebaut. Zur Landesstraße hin, wo bislang der Anbau stand, wird ein weiteres Gebäude entstehen, das dem Gasthaus nachempfunden wird. Verbunden werden beide Häuser durch einen Zwischentrakt samt Fahrstuhl. Rund 15 barrierefreie Mietwohnungen werden auf diese Weise entstehen. Heike Harms und ihre Mutter Anneliese werden selbst dort wohnen. Wurden die ersten Planungen bei der Vorstellung vor einigen Jahren von einigen Elbmarschern noch mit Skepsis beäugt, gibt es inzwischen eine Menge Zustimmung zum Projekt des barrierefreien Wohnens. „Ich habe schon mit vielen Elbmarschern gesprochen, die gern herziehen würden, weil sie mit Haus und Hof aus Altersgründen überfordert sind, aber unbedingt an der Elbe bleiben möchten“, erzählt die Gastwirtin.
Abschied von 125 Jahren Gasthaus-Tradition
Und auch wenn Heike Harms den Abschied von 125 Jahren Gasthaus-Tradition mit einem weinenden Auge sieht, überwiegt doch die Freude, dass ihr Elternhaus erhalten bleibt und hoffentlich vielen Elbmarscher zukünftig ein neues Zuhause bietet. Beruflich war das Gasthaus ohnehin in den vergangenen Jahren zum untergeordneten Standbein geworden und die Genusshandwerkerei mit Catering-Service war beruflich immer wichtiger geworden. „Zu Zeiten meiner Eltern gab es am Deich zwar weniger Einwohner, aber viel mehr Gasthäuser. Feste wurden im Gasthaus gefeiert. Heute ist das anders“, rekapituliert Heike Harms. Sie antwortete auf die Situation damit, dass sie in den vergangenen Jahren das gemacht hat, was ihre Leidenschaft ist: Mit guten Zutaten kochen. Das Konzept kam bei ihren Gästen gut an, sie kamen auch aus Hamburg an den Elbdeich. Doch damit ist Schluss, wenn die Draußen-Saison im Herbst ausläuft.
Während der Pandemie war die Genusshandwerkerei vor allem mit Kochboxen erfolgreich, mit denen regionale, frische Zutaten für die heimische Küche geliefert wurden, um am eigenen Herd das zuzubereiten, wofür man vor der Pandemie ein Restaurant besuchte. Das möchte Heike Harms künftig ausbauen. „Die Essgewohnheiten haben sich mit Corona geändert“, weiß die Schwinderin und möchte darauf auch künftig setzen. Zum leichten Abschied vom Gasthaus an der Elbe trägt auch bei, dass Aushilfskräfte in der Gastronomie nach der Pandemie schwer zu bekommen sind. „Alles hatte seine Zeit und es waren gute 28 Jahre“, sagt sie. 125 Jahre Gasthaus-Tradition finden nun ein Ende. Von Franzis Waber