Luhmühlen. Eigentlich ist es verwunderlich, dass Peter Thomsen eine große Pferdesportkarriere gelungen ist. Sein erstes Pferd, eine Shetland-Pony-Stute, warf ihn ab, und er brach sich mehrfach den Arm. Da war er zehn Jahre alt, und mit Reiten war erst mal Schluss. Gut, dass er etwa vier Jahre später wieder mit dem Reitsport begann. So wurde aus dem in Flensburg geborenen Nordlicht ein erfolgreicher Vielseitigkeitsreiter, zweifacher Mannschafts-Olympiasieger – und der künftige Vielseitigkeits-Bundestrainer.
Eigentlich sollte Peter Thomsen, der in Lindewitt in Schleswig-Holstein zu Hause ist, schon im neuen Amt sein. „Aber durch Corona und die Verschiebung der Olympischen Spiele wurden die Verträge aller Reit-Bundestrainer noch einmal verlängert“, erklärt der 60-Jährige.
Vertraglich sei der Deal auch noch nicht fixiert, sagt er. Das gilt aber dem Vernehmen nach nur noch als Formsache. Seit der erfolgreichen Europameisterschaft 2019 in Luhmühlen begleitet Thomsen den noch amtierenden Bundestrainer Hans Melzer bei Championaten und größeren Turnieren. „Als stiller Beobachter“, wie er sagt. Um sich einzuarbeiten, die Abläufe zu verinnerlichen, eigene Strategien zu entwickeln.
„Wir machen das zwar zusammen. Und ich bin mit den Reiterinnen und Reitern auch schon Geländestrecken abgegangen und habe mit ihnen Strategien entwickelt. Aber Hans hat den Hut auf, ganz klar“, sagt Thomsen, „meine Amtszeit beginnt offiziell ab dem 1. Januar.“ Auch dieser Tage in Luhmühlen ist Thomsen dabei. Eine ganze Reihe der Reiterinnen und Reiter kennt er noch als Mitbewerber um Top-Platzierungen, „jetzt lerne ich sie aus der Trainerposition kennen“.
Höchsten Respekt vor Hans Melzer
Seine größten Erfolge erritt Peter Thomsen auch unter Hans Melzer, die beiden Mannschafts-Olympiasiege 2008 in Hongkong auf The Ghost of Hamish und 2012 in London auf Barny. Er hat höchsten Respekt vor dem Luhmühlener – als Trainer wie als Mensch: „Zusammen mit Chris Bartle hat Hans Melzer die deutsche Vielseitigkeit wieder in die absolute Weltspitze zurückgeführt. Hans ist menschlich sehr angenehm. Er ist sehr kooperativ, sehr offen, kommunikativ und positiv. Er ist nicht autoritär, hat immer den maximalen Erfolg für Reiter und Pferde im Blick.“
Eigenschaften, die Thomsen gern in seine künftige Arbeit als Bundestrainer einbringen will. „Letztlich“, sagt er, „hat immer die Pferd-Reiter-Kombination den größten Anteil am Erfolg. Am Ende geht es für den Bundestrainer um das Feintuning.“ Die Topstars wie Ingrid Klimke oder Michael Jung hätten bei großen Turnieren und Championaten ohnehin ihr eigenes System, so Thomsen. „Die Leute aber, die da jetzt reinwachsen, denen kann ich Hilfestellung geben.“
Dass Thomsen bald den Job von einem Trainer übernimmt, der in 20 Jahren unglaubliche Erfolge feierte und zur Legende wurde, ist ihm bewusst. Ein gewisser Druck ist da, keine Frage. „Aber das ist für mich kein Thema“, sagt der neue Mann.
Medaillen spielen keine Rolle
Und dafür hat er eine ebenso nachvollziehbare wie bemerkenswerte Begründung: „Ich mache das nicht wegen der Anzahl von Medaillen oder der Farbe von Medaillen. Natürlich ist das auch wichtig, aber mir geht es auch um gesellschaftliche Aspekte. Die Vielseitigkeit muss gesellschaftsfähig bleiben, sie muss pferdefreundlich sein, und wir müssen junge Leute für den Sport entwickeln. Dafür müssen wir kreative Lösungen finden.“ Wenn er am Ende seiner Tätigkeit als Bundestrainer zwei oder drei Medaillen weniger gewonnen haben sollte als Hans Melzer, „dann ist das Sport“. – „Wir Vielseitigkeitsreiter zeichnen uns auch dadurch aus, dass wir die Erfolge anderer akzeptieren. In jedem Fall ist der Job eine tolle Herausforderung.“
Jetzt freut sich Peter Thomsen erst mal auf die Vielseitigkeits-Tage von Luhmühlen, wenn auch ohne Zuschauer. „Luhmühlen hat eine gewaltige Tradition. Seit mehr als 50 Jahren werden hier große Turniere geritten. Der Standort hat sich toll entwickelt, gehört zu den Top 5 der Welt. Luhmühlen ist wie Wimbledon im Tennis, wo jeder mal gespielt und gewonnen haben will.“
Großen Respekt habe er vor den Veranstaltern, die das Turnier in diesem Jahr trotz großer Schwierigkeiten durchziehen. Von Matthias Sobottka
