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Holger Petruschke (von links) mit Ehefrau Daniela und Trainer Laurin Jung machen sich im TSV Buchholz 08 stark für den Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Foto: rin

TSV Buchholz 08 startet Präventionsprojekt gegen sexualisierte Gewalt im Sport und schult Mitarbeiter

Buchholz. So richtig benennen kann kaum einer das Problem. Vielmehr sind es viele kleine Facette im Sport, die man hinnimmt, ohne sich genau Gedanken darüber zu machen. Zum Beispiel wenn der Trainer seine Sportlerin mit keinem Klaps auf den Po in den Wettkampf schickt oder wenn in der Umkleidekabine lustige Fotos mit den Handy geschossen werden. Die Verantwortlichen des TSV Buchholz 08 wollen exakt dagegen was unternehmen, wollen das soziales Bewusstsein im Verein weiterentwickeln und haben sich deshalb intensiv dem Präventionsprojekt gegen sexualisierte Gewalt im Sport verschrieben.
08 stellt sich gegen jede Form von Gewalt
Dass der 08-Vorstand „pädagogisch angehaucht“ sei, gibt Vorsitzender Holger Petruschke gerne zu. Er selbst verfügt über eine pädagogische Ausbildung, Ehefrau Daniela, im Vorstand für Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständig, ist Bildungswissenschaftlerin. Das Entscheidende sei aber die Mitgliederstruktur des 2700 Mitglieder starken Vereins, betont der 08-Chef: „Fast die Hälfte unserer Mitglieder ist unter 18. Allein 100 Teamangebote gibt es für Kinder unter zwölf Jahren.“ Und: „Der TSV Buchholz 08 stand immer und steht auch weiterhin gegen jede Form von Gewalt“, unterstreicht Petruschke vehement:
Jedes Kind hat das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit. Das gibt die UN-Kinderrechtskonvention vor. Und dazu will 08 seinen Anteil leisten. Der Vorstand hat sich bereits in einem Themenpapier gegen jegliche Form von Gewalt positioniert, demnächst sind 60 Mitarbeiter vom Vorstand über Trainer bis zu Hausmeistern zum Thema sexualisierte Gewalt im Sport intensiv geschult. Das Ziel: Alle Mitarbeiter, darunter die insgesamt rund 200 Übungsleiter, sollen im Rahmen des Projektes fit gemacht werden.
„Aufklärung macht dabei den ersten Schritt aus. Wie erkenne ich überhaupt, dass beispielsweise ein Kind bei einer Hilfestellung so nicht angefasst werden möchte?“, verdeutlicht Daniela Petruschke, die das Präventionsprojekt bei 08 betreut. „An wen kann ich mich wenden, wenn es Unsicherheiten gibt?“ 08 wird ein Konstrukt aus Vertrauenspersonen schaffen, die jede Info entgegennehmen und die entsprechenden Stellen einbeziehen. „Das Thema an sich wird nie abgeschlossen sein, sondern fordert eine ständige Selbstreflexion“, erklärt die Projektleiterin.
Offene Türen, keine Handys
Erst mit der Beschäftigung des Themas wurden auch den Verantwortlichen von 08 Situationen bewusst, die nicht unkritisch waren. Ganz einfache Erkenntnisse sind, dass beim Sport in einer Eins-zu-eins-Situation zwischen Trainer und Sportler – wie während der Pandemie – die Tür zum Übungsraum offen und immer jedes Handys beim Sport grundsätzlich in der Tasche bleibt. „Ich schätze, unterbewusst habe ich bislang immer alles richtig gemacht“, schildert Laurin Jung und spricht für die Jugend im TSV Buchholz 08. Der junge Mann ist Trainer einer Hockeymädchenmannschaft. Er hat immer auch eine weibliche Assistenz mit am Platz. „Aber die Schulung hat mir gezeigt, dass ich mich viel intensiver damit beschäftigen muss, wie mein eigenes Verhalten gegenüber den Mädchen bei ihnen ankommt.“
„Das Projekt will nicht verurteilen. Wir wollen genau hingucken, aufklären und begleiten, um kritische Situationen zu vermeiden“, macht Holger Petruschke klar. „Selbstbewusstsein kann man lernen. Und dabei kann der Sport unglaublich helfen. Der Sportverein muss ein Ort sein, an dem sich Trainer und Sportler sicher fühlen. Dazu wollen wir beitragen.“ Von Kathrin Röhlke

[box type=“info“ align=““ class=““ width=““]Hintergrund Sexualisierte Gewalt im Sport Gewalt ist, wenn man etwas ertragen muss, was man nicht will, und dabei noch in einer Abhängigkeit steht. Im Sportexistiert zudem noch eine Form des Gruppenzwangs. Deswegen initiierte die Sportjugend im Landessportbund (LSB) Niedersachsen 2010 das Projekt „Schutz vor sexualisierter Gewalt von Kindern und Jugendlichen im Sport: Prävention, Intervention, Handlungskompetenz“. Ziel war es, in der gesamten Sportorganisation ein Klima herzustellen und nachhaltig zu festigen, das sowohl Mitarbeitende des Sports in die Lage versetzt, qualifiziert präventiv zu handeln, als auch Betroffene zum Reden ermutigt. Daraus entstanden sind unter anderem eine Clearingstelle im LSB, an die sich Betroffene anonym wenden können, Schulungsmaterial und Schutzkonzepte. Tandems von Experten wurden ausgebildet, die Vereine schulen. Kenneth Dittmann in seiner freiberuflichen Tätigkeit und Nadine Becher vom MTV Ramelsloh, einem der ersten Vereine im Landkreis, die sich intensiv mit dem Thema sexualisierte Gewalt im Sport befasst haben, begleiten das Projekt beim TSV Buchholz 08 als Tandem des Landessportbundes Niedersachsen.[/box]