Fleestedt. Seit acht Jahren gehört Svenja Stadler aus Seevetal dem Deutschen Bundestag in Berlin an. Jetzt geht die 44-Jährige, die in Fleestedt lebt, in ihren dritten Wahlkampf. Schon 1994 trat sie in die SPD ein und startete ein außergewöhnliches Engagement in der Partei. Auch in der Hauptstadt ist Svenja Stadler in mehreren Bundestags-Ausschüssen aktiv, ist Vorsitzende des Kuratoriums des Müttergenesungswerks und seit 2016 auch im Ortsrat Fleestedt sowie im Kreistag vertreten. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Ihr Engagement ist nicht unbemerkt geblieben, Ende Mai wurde sie auf Platz vier der Landesliste der SPD Niedersachsen gewählt, was einen erneuten Einzug in den Bundestag durchaus wahrscheinlich macht. 2016 war es noch Listenplatz acht. Aktuell ist Svenja Stadler ordentlich im Landkreis Harburg unterwegs, Präsenz zeigen, der Wahlkampf läuft an. Die Prognosen für die SPD sind momentan nicht so rosig, trotzdem bleibt die gebürtige Oldenburgerin optimistisch. Die Fantasie für einen Kanzler Olaf Scholz fehlt ihr im WA-Interview jedenfalls nicht.
Frau Stadler, Sie gehören seit 2013 dem Bundestag an und ziehen jetzt als Spitzenkandidatin der SPD erneut in den Wahlkampf. Gibt es da schon eine Routine oder ist diese Phase immer wieder neu spannend?
Es ist der dritte Wahlkampf als Direktkandidatin für den Deutschen Bundestag und alles andere als Routine. Allein die Situationen und Ausgangspositionen sind schon mal sehr verschieden. Zum Beispiel haben wir mit Olaf Scholz im Vergleich zu den Bewerbern 2013 und 2017 einen Spitzenkandidaten ganz anderen Charakters und Temperaments. Das macht es schon mal sehr spannend. Hinzu kommen die Themen, die sich zwar nicht eklatant geändert haben in den letzten Jahren, aber doch immer wieder neue Gewichtungen erhalten.
Aber wissen Sie was: Von der ganzen Werbung einmal abgesehen, die in Form von Plakaten und Flyern zu einem Wahlkampf halt dazugehört, unterscheidet sich mein Wahlkampf nicht sehr von meiner üblichen Arbeit als Abgeordnete. Ich suche den Kontakt zu den Menschen in meinem Wahlkreis und biete mich zum Dialog an. Das ist und bleibt der Kern meines Tuns.
Diese Bundestagswahl erscheint vollkommen offen. Ganz einfach gefragt: Wie stehen Ihre Chancen für einen erneuten Einzug in den Bundestag über den Listenplatz?
Natürlich ist ein guter Listenplatz, wie ich ihn mir auf Landesebene jetzt erarbeitet habe, eine gute Sache und stärkt einem den Rücken. Ich werde mich darauf aber nicht ausruhen. Die Chancen stehen sicher nicht schlecht, dennoch ist der Listenplatz für mich eher ein Ansporn, noch mehr Gas zu geben, um ein gutes persönliches Ergebnis einzufahren. Den oberen Listenplatz sehe ich als eine Würdigung meiner bisherigen Arbeit.
Die SPD wirkte nicht immer glücklich in der Großen Koalition. Was sind jetzt die Perspektiven der Partei?
Die SPD hat ein Wahlprogramm verabschiedet, dass sich sehen lassen kann. Es enthält zu den maßgeblichen Fragen unserer Zeit und unserer Zukunft klare Vorstellungen und Ziele. Ich glaube an die SPD und spüre, wenn ich zum Beispiel auf Erst- und Jungwähler im Wahlkreis treffe, dass wir allen Unkenrufen zum Trotz sehr wohl als weiterhin maßgebliche politische Kraft wahrgenommen werden. Mit Olaf Scholz haben wir einen Spitzenkandidaten am Start, der Erfahrung, Weitsicht und Souveränität in sich vereint und damit von sehr vielen als geeignetster künftiger Kanzler betrachtet wird. Wenn das keine Perspektiven sind.
Und ehrlich gesagt, auch die Union wirkte nicht immer glücklich in der Großen Koalition. Wir haben einen Koalitionsvertrag abgearbeitet, in dem eine Menge sozialdemokratische Inhalte zum Tragen gekommen sind. Auf der anderen Seite haben wir natürlich nicht allem unseren Stempel aufdrücken können und Entschlüsse mittragen müssen, die nicht ganz auf unserer Linie lagen. Das ist das Wesen einer Koalition. Ich möchte daran erinnern, dass die SPD sich der Verantwortung nicht entzogen hat, als es darum ging, eine tragfähige Regierung zu bilden. Ich war fraglos keine Freundin der Großen Koalition, bin aber im Rückblick zufrieden mit der Entscheidung.
Wahlumfragen sehen die Sozialdemokraten im Rennen um Platz 3. Wie wichtig ist Ihnen eine Regierungsbeteiligung?
Wer regiert, kann zwangsläufig mehr durchsetzen und bewegen. Das ist das A und O politischer Motivation: Gestaltungswille. Eine Regierungsbeteiligung ist immer das Ziel. Dafür schreibt man ein Wahlprogramm. Sie ist wichtig, aber nicht um jeden Preis, versteht sich.
Können Sie sich ein Szenario vorstellen, in dem Olaf Scholz Kanzler wird?
Auf jeden Fall. Gedanken machen wir uns, wenn es soweit ist.
Auch die CDU hat erheblich an Zustimmung verloren. Erleben wir das Ende der Volksparteien?
Bis heute waren immer entweder die Union oder die SPD oder beide an den deutschen Nachkriegsregierungen beteiligt, und zwar maßgeblich. Sie stellten die Kanzlerin oder den Kanzler. Vor diesem Hintergrund darf man wohl von Volksparteien reden. Abgesehen davon mutet mir die Rede vom „Ende der Volksparteien“ immer so marktschreierisch an. Es ist leider nicht von der Hand zu weisen, dass die Zustimmung zu den einzelnen Parteien inzwischen recht aufgespalten ist, zum Teil auch deshalb, weil nicht wenige ihre Wahlentscheidung sehr daran festmachen, wo ihre individuellen Interessen vertreten werden.
Eines Ihrer Themen ist die Familienpolitik. In der Corona-Pandemie waren vor allem Kinder und Jugendliche von den alltäglichen Einschränkungen betroffen. Welche Lehren muss man aus diesen Erfahrungen ziehen?
Grundsätzlich haben wir auf die Pandemie richtig und angemessen reagiert. Da wir aber alle mit solch einer Krise nicht vertraut waren, ist sicherlich nicht alles ideal verlaufen. Es hätte durchaus über andere Betreuungs- und Beschulungskonzepte nachgedacht werden können. Die Schließungen waren aus epidemiologischer Sicht jedoch unausweichlich. Zur Wiedergutmachung hat der Bundestag erst neulich ein Corona-Aufholprogramm beschlossen, von dem unter anderem Kinder und Jugendliche profitieren. Es wird sicher nicht die letzte Maßnahme in dieser Richtung sein.
Sie selbst sind berufstätig, haben zwei Kinder und engagieren sich vielfältig. Wie bekommt man dies alles unter einen Hut?
Recht gut. Ich schaffe mir die notwendigen Freiräume für die Familie so gut es geht und kann mich jederzeit auf die Unterstützung meines Mannes verlassen.
Der Blick in den Wahlkreis 36: Sie gehören dem Kreistag an, auch der wird neu gewählt am 12. September. Welche Themen haben hier Priorität?
Auf kommunaler Ebene müssen wir uns vor allem um bezahlbaren Wohnraum kümmern, die Verkehre in die richtigen Bahnen lenken und eine flächendeckende Gesundheitsversorgung garantieren. Mein persönlicher Fokus liegt auf der Kinder- und Familienpolitik, dem Ehrenamt und der Kultur.
Zum Abschluss nach Fleestedt: Sie sind Fußballtrainerin beim TuS. Liegt auf dem Platz auch die Entspannung? Und gibt es einen Lieblingsklub?
Als Trainerin beim TuS Fleestedt habe ich vor allem Spaß und genieße die willkommene Ablenkung vom politischen Alltag. Ich finde es außerdem wichtig, mit derartigen Engagements Bodenhaftung zu wahren und etwas zu machen, was nicht unbedingt mit Politik zu tun hat. Einen Lieblingsklub habe ich seit meiner Jugend, aber der hat in der abgelaufenen Saison alles andere als geglänzt. Der HSV ist es nicht. Trotzdem hoffe ich, dass es für beide aufwärts geht.