Winsen. Eigentlich hätte alles so schön sein können: Die Grünen befinden sich nicht nur bundesweit, sondern auch in Winsen im Aufwind. Die Mitgliederzahlen steigen und mit Kea Lausen wollte man, so zumindest der Gedanke einiger Mitglieder, die sich schon lange im Stadtrat engagieren, eine junge Frau, die sich in den vergangenen Jahren bei Fridays for Future engagierte, auf Platz eins der Liste für die Kommunalwahl im September setzen. Die „alte Garde“ mit Bernd Meyer, Norbert Benthack, Cemil Delik, Eike Harden und Dr. Erhard Schäfer, die die Grünen seit vielen Jahren im Winsener Stadtrat vertritt, wollte eigentlich wieder antreten und ihre Arbeit fortsetzen. Doch dann kam alles anders.
Bernd Meyer nicht auf der Kandidatenliste
An der Spitze der Kandidatenliste landete nach der Wahl Margot Schäfer, die gemeinsam mit Hella Boltz seit rund eineinhalb Jahren den Ortsverband leitete. Für den Listenplatz 2 hatte auch Bernd Meyer kandidiert, der Sprecher der Stadtratsfraktion der Grünen, der auf insgesamt 20 Jahre Ratserfahrung zurückblicken kann. Bei seiner Kandidatur für den Listenplatz 2 verlor er für ihn überraschend gegen Malte Tödter, Listenplatz 4 verlor er gegen Dietmar Holz, Vorstandsmitglied im Ortsverband. Auf eine weitere Kandidatur verzichtete Meyer, dem nach den zwei Wahlgängen dämmerte, dass da etwas im Busche war. „Ich habe für mich den Schluss gezogen, dass der Ortsverband der Winsener Grünen eine Kandidatur von mir nicht wünscht“, kommentierte Meyer die Abwahl jetzt in einer persönlichen Stellungnahme zur Kandidatenaufstellung.
Ähnlich wie Meyer erging es Ratsmitglied Norbert Benthack, der gegen Luc Hornstra bei der Wahl um Listenplatz 6 verlor. Den Abschluss bildete die Wahl um Listenplatz 10, für den Cemil Delik angetreten war und den auch er verlor. Eike Harden, ehemaliger Vorsitzender des Ortsvereins und ebenso wie Meyer lange für die Grünen im Winsener Rat, verzichtete daraufhin auf eine Kandidatur und auch Tim Lehmann und Marita Meier, die bisher für die Grünen im Stadtrat saßen, verzichteten aus persönlichen Gründen. Das einzige Mitglied der aktuellen Stadtratsfraktion, das es erneut auf die Wahlliste schaffte, ist Dr. Erhard Schäfer, Ehemann von Spitzenkandidatin Margot Schäfer.

Personelle Änderungen waren im Vorfeld kein Thema
„Ich konnte mir so etwas bisher nicht vorstellen und hätte erwartet, dass man uns zumindest hinten auf der Liste platziert, um den Frieden zu wahren. Das war wohl eine klassische Übernahme“, kommentierte Bernd Meyer die Wahl gegenüber dem WA. In den offiziellen Sitzungen sei der Wunsch des Vorstandes, personelle Änderungen in der Stadtratsfraktion vorzunehmen, nicht angesprochen worden, eine Diskussion über Kandidaten habe es nicht gegeben. „Wir hätten uns auf jeden Fall gefreut, wenn der Vorstand uns im Vorfeld angesprochen hätte“, so Meyer weiter. Zoff habe es im Vorfeld nämlich nicht gegeben. Fraktion und Vorstand hätten sich regelmäßig ausgetauscht. „Wir hätten uns allerdings gewünscht, dass vom Vorstand auch zu fachlichen Themen etwas kommt“, rekapituliert Meyer. Der einzige Punkt, in dem das passiert sei, sei das Thema Luftreinigungsanlagen in den Schulen gewesen. Da habe es durchaus Diskussionen gegeben, weil die Ratsfraktion gefordert hatte, sich auf technische Belange zu fokussieren, während dem Ortsverein wichtig gewesen sei, die Anlagen durchzusetzen.
Das einzige Manko, dessen man sich auch schon vor der letzten Wahl bewusst gewesen sei, sei die Tatsache, dass man außer Marita Meier keine Frauen in der Fraktion gehabt habe. „Die Frauen, die bei der Aufstellung der Kanidaten vor fünf Jahren dabei waren, wollten damals nicht auf den vorderen Plätzen antreten und weitere Frauen konnten wir leider nicht aus dem Hut zaubern“, sagt Meyer dazu.
Fehlende Präsenz im Ortsverein Grund für Rauswahl
Ganz anders sieht den Wechsel auf der Kandidatenliste Margot Schäfer, die auf Platz eins antritt. Den Grund dafür, dass die Mitglieder der Stadtratsfraktion mit einer Ausnahme, nämlich die ihres Mannes Dr. Erhard Schäfer, nicht wieder auf der Kandidatenliste landeten, sieht sie in der fehlenden Präsenz der Ratsmitglieder im Ortsverein. „Wenn ich nicht präsent bin, wie soll ich erwarten, dass ich gewählt werde?“ so Schäfer. Die Wahl sei nun mal ein demokratischer Prozess. „Und wenn jemand abgewählt wird, würde ich mich ernsthaft fragen, wie konnte es dazu kommen“, sieht sie für den Ortsverband keine Verantwortung. Einige Mitglieder der Ratsfraktion seien dem Ortsverein eben in den vergangenen Jahren „abhanden gekommen“, andere wie Cemil Delik seien dort niemals angekommen. Delik habe alle in der Wahlversammlung mit seinem Wunsch nach einer erneuten Kandidatur überrascht, so die Sicht von Margot Schäfer.
Wunsch nach Politik auf Augenhöhe
Sowohl Schäfer als auch Hella Boltz, die auf Platz sieben der Kandidatenliste landete, sind sich im Gespräch mit dem WA einige: „Für uns ist es ein Anliegen, Politik auf Augenhöhe zu machen. Und das bedingt auch einen gewissen Umgang mit dem Ortsverein“. Das funktioniere eben nicht, wenn man zu Sitzungen gar nicht erscheine. Darüber hinaus sei das Ziel immer gewesen, mehr Frauen in die Politik zu bringen. „Das haben wir jetzt mit sieben Frauen unter den 20 Kandidaten auf der Liste“, so Schäfer. Und damit habe es eben logischerweise weniger Plätze für die Männer gegeben.
Einem Vorwurf, der allerdings bisher von niemandem ausgesprochen wurde, möchte Margot Schäfer aber entschieden entgegentreten. „Wir sind nicht vor der Wahlversammlung auf Mitgliederfang gegangen“. Die neuen Mitglieder, die in hoher Zahl an der Versammlung teilgenommen hatten, seien einfach so ins Haus geschneit oder durch Aktionen dazu gekommen. Von Franzis Waber