Buchholz. Es war dieser eine Moment, für den Pablo Broszio jahrelang trainiert hat. Der 18-Jährige stand vor wenigen Wochen in der Olympiahalle von Rio in Brasilien, verglich sich mit den besten Kunstturnern ganz Amerikas (der WA berichtete) – und genoss jeden einzelnen Moment. Jetzt traf der WA den Ausnahmeturner in der Kunstturnarena in den Buchholzer NordHeideHalle.
„Es ist ein irres Gefühl, wenn auf einem Mal alles, was du dir immer erträumt hast, Realität ist“, sagt Pablo. Plötzlich stand der Athlet aus Bremen, der aber für den TSV Buchholz 08 turnt, neben seinen großen Idolen Arthur Mariano und Arthur Zanetti aus Brasilien. Die haben schon olympische Medaillen gewonnen und machten sich nun neben dem 18-jährigen Deutschen warm, der für das Heimatland seiner Mutter, Panama, bei den Panamerikanischen Meisterschaften startete. „Das war total emotional“, gesteht Pablo.
Drei Tage vorm Abflug das Abitur gemeistert
Pablo ist sehr aufgeräumt und strukturiert – in allem. „Das hat mir irgendwie auch immer in der Schule geholfen“, meint der leidenschaftliche Turner. Der 18-Jährige geht durchgetaktet durchs Leben, organisiert Schule und tägliches Training in Buchholz. Drei Tage vor dem Abflug nach Rio legte er mal eben sein Abi hin.
Nebenbei feilte er mit seinem Vater und Trainer Jan Markus „Bolle“ Broszio an den Übungen. Und das war kein Zuckerschlecken. „Bei der Stützkehre am Barren bin ich einmal im Training übel gestürzt. Da hatte ich dann, ehrlich gesagt, überhaupt keinen Bock mehr drauf“, meint Pablo grinsend. Der Ehrgeiz, den Kampf gegen das Element zu gewinnen, trieb den disziplinierten jungen Mann aber natürlich wieder ans Gerät. Bei den niedersächsischen Landesmeisterschaften habe er das Element noch „verweigert“, in Rio lieferte Pablo aber. „Ich hätte Papa enttäuscht, wenn ich es nicht versucht hätte, – und mich auch.“ Und dann gesteht er, dass er super ehrgeizig sei: „Ich schätze, bei mir sind 20 Prozent Talent und 80 Prozent Ehrgeiz.“
Der stärkste Moment in Brasilien? „Als ich ganz alleine auf der Bodenfläche stand und mich den Kampfrichtern vorstellen musste“, kommt, wie aus der Pistole geschossen. „Da hat mein Herz bis zum Anschlag geklopft. Aber schon bei der ersten Bahn war alles Drum und Dran vergessen, ich war im Tunnel.“ Sicher könne man sich im Kunstturnen nie sein, sagt Pablo. „Ich denke nur von Teil zu Teil.“
Panamaisch Kultur übers Turnen erleben
Sein Ziel, Erfahrungen zu sammeln und jeden Moment bewusst zu genießen, ging für den jüngsten Starter bei den Panamerikanischen Meisterschaften voll auf. Mit Rang 27 ließ er noch einige Starter hinter sich. „Für mich und vor allem für meine Frau Michele ist es wichtig, dass Pablo über das Turnen auch ein bisschen von der Kultur Panamas mitbekommt“, sagt „Bolle“ Broszio. Tatsächlich empfindet Pablo sich überhaupt nicht als Einzelstarter, sondern als Mitglied der Nationalmannschaft Panamas. „Das Team ist einfach richtig klasse.“
Die Erkenntnis von Rio? „Ich muss mich an jedem Gerät verbessern und vor allem an der Ausführung arbeiten. Das hat mich viele Punkte gekostet“, bilanziert Pablo trocken. Die Stemme rückwärts in die Schwalbe an den Ringen, der Doppelsalto gebückt vorwärts am Boden, beides schwierige E-Elemente – Pablo hat selbstverständlich schon einen Plan, was er noch draufsatteln muss, wenn er im Herbst bei den Weltmeisterschaften (WM) für Panama startet.
Was Pablo am Turnen reizt? „Die Reisen sind schon toll“, überlegt Pablo. Aber noch mehr gefalle ihm der Team-Spirit. „Wir stützen uns, auch wenn wir im Wettkampf alleine dastehen.“ Selbst wenn er in Deutschland ist, hält er Kontakt mit den anderen aus dem Team Panama – über Instagram, Whatsapp oder es wird geskypt. Und dann fällt Pablo noch was ein: „Je mehr Arbeit du reinsteckst, desto größer sind deine Erfolge. Das fasziniert mich.“
Abschied aus Buchholz schon im August
Vor der WM steht allerdings ein großer Schritt an: Pablo zieht zum Studieren nach Hannover und trainiert dort im Olympiastützpunkt unter anderem mit Deutschlands Top-Turner Andreas Toba. Im August bricht er seine Zelte in Buchholz – „die Leute hier in Buchholz werde ich absolut vermissen“ – und im „Hotel Mama“ ab. Und auch von Papa „Bolle“ als Coach nimmt Pablo dann Abschied. Dass sich im Leben des Ingenieurs und früheren Bundesliga-Turners „nicht mehr alles um Pablos Training dreht, wird ungewohnt“, gibt „Bolle“ Broszio zu. Ungewohnt auch für Pablo, der gerade zu seinem Vater eine ganz besondere Beziehung hat. „Er kennt mich ganz genau, weiß, wenn er mich sieht, wie es mir geht“, sagt Pablo und fügt an: „Er ist mein bester Freund.“ Und es stellt sich Gänsehautfeeling ein, nicht nur bei Papa „Bolle“ … Von Kathrin Röhlke
