Marschacht. Rund fünf Jahre hatte man in der Elbmarsch über den Neubau des Jugendtreffs Deichhaus mehr oder weniger intensiv nachgedacht. Ein Konzept für die Jugendarbeit wurde angefertigt, die Schließung des alten, maroden Gebäudes immer wieder angekündigt. Dann stand endlich ein Konzept, das vorsah, in einem Neubau nicht nur den Jugendtreff, sondern zusätzlich auch das Samtgemeindearchiv, einen Raum für die Seniorenarbeit und die Samtgemeindebücherei unterzubringen. Innerhalb von knapp einer Woche wurden die Planungen jetzt aber einmal umgekrempelt: Der Neubau bietet zwar Platz für Jugend und Senioren, Bücherei und Archiv müssen aber draußen bleiben.
Planungen wurden im Juni dem Ausschuss vorgestellt
Schon als die Samtgemeinde das alte Deichhaus vor rund 20 Jahren kaufte, war abzusehen, dass eine Nutzung nur noch vorübergehend stattfinden konnte, da die Gebäudestatik schon damals Mängel aufwies. Nach dem Obergeschoss wurde im Laufe der Jahre auch der Keller für die Nutzung gesperrt. Inzwischen ist klar: Ende des Jahres muss der Jugendtreff raus aus dem Haus und ein Neubau muss her. Die Planungen dafür stellte Architekt Thomas Block Anfang Juni dem Bauausschuss der Samtgemeinde in zwei Varianten vor: Ein ortstypisches, dreistöckiges Giebelhaus am Deich mit einem Flachdach-Anbau oder ein zweigeschossiger Zweckbau mit Flachdach. Beide Varianten mit jeweils rund 900 Quadratmetern Nutzfläche, Kostenpunkt: zwischen 2,7 und 3,3 Millionen Euro. Da für das Projekt eine Förderung in Höhe von einer halben Million Euro winkte, dafür aber ein Ratsbeschluss vorliegen muss, traf sich der Bauausschuss in der vergangenen Woche erneut.
Im Rahmen dieser Sitzung gab es dann die große Überraschung. Die Fraktionen hatten die Planungen intern beraten und SPD und CDU hatten eine neue Idee: Das Deichhaus wird als Giebelhaus in dreigeschossiger Bauweise mit Fahrstuhl mit einer Grundfläche von 280 Quadratmetern gebaut, dafür fliegen Bücherei und Archiv aus den Planungen (der WA berichtete). Mit dieser Maßnahme möchten die beiden Fraktionen Geld beim Neubau einsparen, wird doch die Giebel-Variante ohnehin fünf bis zehn Prozent teurer als der Zweckbau. Finanzieren möchte die CDU den Neubau dann noch gern mithilfe einer Stiftung, die die Samtgemeinde notfalls selbst gründen soll.
Die Bücherei, so der Plan von CDU und SPD, bleibt dort, wo sie ist, nämlich in der Grundschule in Marschacht. Die Räume, die sie aktuell dort belegt, sollten eigentlich zu einer Mensa umgebaut werden, um den Ganztagsbetrieb zu ermöglichen. Stattdessen soll, so CDU und SPD, ein neuer Mensatrakt angebaut werden und dafür Fördergelder und Gelder der Kreisschulbaukasse genutzt werden, um den Samtgemeindehaushalt zu schonen. Ob ein solcher Anbau mit einer Erweiterung der Schule, die eventuell irgendwann nötig wird, zu vereinbaren ist, soll der Schulausschuss in der kommenden Woche klären.
Emotionaler Appell des Samtgemeindebürgermeisters
Was Samtgemeindebürgermeister Rolf Roth von diesem Plan hält, damit hielt er in der Ratsitzung am Dienstag nicht hinter dem Berg. „Wir sind seit fünf Jahren in der Diskussion und haben Hoffnungen geschürt. Und kurz vor knapp beginnen wir solche Diskussionen? Der Giebelbau wird 150 000 bis 300 000 Euro teurer als der Zweckbau, dafür haben wir 100 Quadratmeter eingespart. Wo ist da der Sinn? Das leuchtet mir nicht ein“, so Roth in einem emotionalen Appell an den Rat, sich für das Flachdach-Konzept mit Bücherei und ohne Aufzug zu entscheiden. „Diese Gesamtkonzeption ist gut und vernünftig“, so Roth.
Unterstützung fand Roth bei der Gruppe Grüne/Piraten und bei den Freien Wählern. „Gemeindegebäude sollten Zweckgebäude sein. So ein Vorschlag lag vor und er ist deutlich günstiger. Aber wir betreiben hier lieber finanziellen Mehraufwand für eine schöne Variante, anstatt in eine Zusammenlegung zu investieren. Diesem faulen Kompromiss stimmen wir nicht zu“, kündigte Reno Steller für die Gruppe Grüne/Linke an. „Wir sparen hier am falschen Ende“, befand auch Malte Krafft (Grüne). „Ich finde viele Ansätze der SPD ganz vernünftig, aber es ist nicht fair, in den letzten zwei Wochen eine Planung von Jahren über den Haufen zu werfen“, kritisierte auch Ulf Riek (Freie Wähler) den Vorstoß von CDU und SPD und warf den beiden Fraktionen vor, kurz vor dem Wahltag Politik machen zu wollen. Er beantragte, wenigstens die Sitzung des Schulausschusses abzuwarten und das Thema erst einmal zurückzustellen.
Statt Verlegung der Bücherei ein Neubau für die Mensa
Die Motivation der SPD-Fraktion erklärte Claus Eckermann: „Angesichts der finanziellen Situation der Samtgemeinde wollten wir von großen Lösungen absehen. Wir haben keine Not, die Bücherei umzusiedeln. Eine Mensa wird an die Grundschule angebaut, dafür können wir andere Fördermittel aquirieren.“ Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Uwe Harden warb für die neue Planung: „Ob wir eine Bücherei in der Größe überhaupt brauchen, wissen wir gar nicht. So wie sie ist, ist sie nicht schlecht untergebracht“, so Harden. „Die Bücherei ist sowieso ein Luxus, dazu sind wir gar nicht verpflichtet“, forderte Günter Kuhl (CDU) auf, die Diskussion endlich zu beenden.
Das tat der Ratsvorsitzende Hans-Peter Meyn (CDU) und setzte an, auf Antrag von Malte Krafft erst über den ursprünglichen Entwurf mit Zweckbau inklusive Bücherei und dann über den neuen Entwurf von CDU und SPD ohne die Bücherei abzustimmen. Dieses Vorgehen rief Uwe Harden auf den Plan, der scharf darauf beharrte, zuerst über den neuen Plan abzustimmen. „Das ist eine Entscheidung des Ratsvorsitzenden“, erwiderte Meyn auf die Forderung Hardens.
Die Mehrheiten allerdings konnte auch dieser Schritt nicht ändern. Die von CDU und SPD favorisierte Variante bekam die Stimmen der Mehrheit, Grüne/Piraten, Freie Wähler und Samtgemeindebürgermeister Rolf Roth unterlagen. Von Franzis Waber
