Stelle. Die Stimmung auf der kleinen von Bäumen umsäumten Terrasse ist ausgelassen. Es gibt Fingerfood, kalte Getränke und alle lauschen gespannt Adam Ali, der im Gespräch für seine Frau Fatma Ibrahim übersetzt. Die 29-Jährige ist endlich in Deutschland. Ihr Mann und seine Freunde in Stelle haben inzwischen dreieinhalb Jahre darum gekämpft, sie zu sich holen zu können (der WA berichtete mehrfach).
Fatma Ibrahim war 2015 vor dem Krieg in Darfur im Sudan ins Nachbarland Tschad geflohen. Adam Alis Flucht führte ihn in den Landkreis Harburg, wo er als Flüchtling anerkannt wurde und in Vollzeit arbeitet. Bereits 2017 erhielt er die Nachricht, dass er eine Ehegattenzusammenführung beantragen darf. Ein holpriges Unterfangen. „Nach langer Ungewissheit und unglaublicher Untätigkeit zuständiger Stellen, hat eine engagierte Dame im Auswärtigen Amt den Gordischen Knoten zerschnitten und im April 2021 endlich ein Visum zugesagt“, berichtet ehrenamtlicher Flüchtlingsberater Bernd Degel. Jetzt hat die junge Frau unbegrenztes Aufenthaltsrecht in Deutschland.
Von Kairo nach Berlin
„Ich habe am Anfang gedacht, es würde fünf, sechs Monate dauern“, erinnert sich Fatma Ibrahim. Daraus wurden dreieinhalb Jahre. Doch jetzt ist sie da. Ende Mai ist der Flieger mit der zierliche Frau an Bord in Kairo gestartet und in Berlin gelandet, wo sie von ihrem Ehemann, Bernd Degel und dessen Enkel in Empfang genommen wurde. Den Flug, die Reisekrankenversicherung und alles drum herum hatte Flüchtlingsberater Wolf-Dieter Böhme organisiert. Mit dem Auto ging es dann in Richtung neue Heimat.
„Gleich auf der Fahrt war sie von dem vielen Grün der Wiesen, den vielen Bäumen und den gelben Rapsfeldern begeistert. Kommt sie doch aus der Sahelzone, wo es wenig regnet, dafür aber sehr heiß und trocken ist“, berichtet Degel von der Heimfahrt in den Landkreis Harburg. „Ich bin glücklich hier zu sein, aber die Sprache ist noch ein Problem“, sagt Fatma Ibrahim. Was in Deutschland ganz anders ist, als in ihrer Heimat? „Man trifft kaum Leute draußen und die Familien sind viel kleiner“, findet sie nach kurzem Überlegen. Im Tschad leben die Menschen viel enger beieinander, Familien sind größer und in der Regel kinderreicher.
Wartezeit mit fatalen Auswirkungen
Für Adam Ali war das Warten auf seine Frau besonders schwer: Fatma Ibrahim ist 2019 an Brustkrebs erkrankt, jede Minute zählte. Inzwischen ist die 29-Jährige in Deutschland in Behandlung. Um diese starten zu können, brauchte sie eine Krankenversicherung, und dazu eine Meldebescheinigung der Wohngemeinde. Doch die Mitarbeiter des Steller Rathauses und der Krankenkasse machten es möglich, dass die Behandlung schnell losgehen konnte. Auch die Verständigung auf Arabisch war kein Problem. Adam Alis Arbeitgeber hat es ermöglicht, dass er flexibel arbeiten und so an den vielen Terminen teilnehmen und übesetzen konnte. „Für mich ist Fatma die mutigste Frau überhaupt. In ein fremdes Land zu kommen, krank zu sein, die Sprache nicht zu sprechen, die Familie zurücklassen. Ich bewundere sie sehr“, betont Wolf-Dieter Böhme.
Druck zeigte keine Wirkung12
„Das Fatma an Brustkrebs leidet, wurde den zuständigen Botschaften sofort mitgeteilt, auch der federführenden deutschen Botschaft in Kamerun“, berichtet Degel. Doch trotz zahlreicher E-Mails und dem Vermerk „Eilt“ sei es mit der Bearbeitung des Antrages nicht weitergegangen, „was bei dieser Krankheit besonders fatale Auswirkungen hat. Es sei „nicht optimal gelaufen“, gab man im Nachhinein zu“, ärgert sich Degel.
Das Paar und seine Freunde danken dagegen den zahlreichen Spendern, die dazu beigetragen haben, dass verschiedene Kosten übernommen werden konnten. „Adam Ali und seine Frau Fatma hat die große Hilfsbereitschaft fremder Menschen sehr überrascht und berührt und gleichzeitig neue Zuversicht gegeben“, berichtet Bernd Degel.
Jetzt gilt es für Fatma Ibrahim erst einmal, gesund zu werden. Sie will die deutsche Sprache erlernen und das Land und seine Menschen kennenlernen. Alles weitere kommt dann. Von Marieke Henning
