You are currently viewing Dieter Kindler erschafft mit 60 Mitarbeitern einen Ort zum Entschleunigen
Blättert gerne in den alten Gästebüchern von der Landesgartenschau: Pastor i. R. Dieter Kindler. Foto: rin

Dieter Kindler erschafft mit 60 Mitarbeitern einen Ort zum Entschleunigen

Anzeige

Winsen. Dass schon 2006 in der Landesgartenschau (LGS) in Winsen das Thema Entschleunigung angesagt war, zeigten damals Glassäulen im Klostergarten: „Beeile dich langsam“ stand unter anderem darauf. Der Klostergarten im Herzen der Landesgartenschau, am Café gelegen, übt noch bis heute eine fast entrückte Seligkeit aus, ohne das sich Besucher oder die Örtlichkeit dafür besonders ins Zeug legen müssten.
Mitten in diesem kleinen Paradies wartet Dieter Kindler auf ein Gespräch mit dem WA und klönt mit Petra Golly, die sich bis heute in beispielhaftem Engagement dafür einsetzt, dass der Klostergarten noch immer seine ganz besondere Atmosphäre als Naturgarten behalten hat, und die Anlage pflegt.
„Das war schon eine tolle Zeit damals, auch wenn ich im Vorfeld viel am PC gesessen habe“, erinnert sich Dieter Kindler, damals Pastor in St. Marien, heute im Ruhestand. 2005 hatte sich der Kirchenkreis Winsen mal die Wolfsburger Landesgartenschau angeguckt, wo sich Kirche nur in einer Randlage wiederfand. „So soll das in Winsen nicht sein“, fand Kindler, wurde Landesgartenschau-Projektleiter für die Landeskirche in Winsen und machte einen guten Job.
Am Klostergarten konnte keiner vorbei
Dass sich das Gelände für den Klostergarten ausgerechnet im Fadenkreuz des Gesamtgeländes befand, war ein unglaublicher Glücksfall – oder Vorsehung. „Da konnte keiner dran vorbei“, sagt Kindler heute lachend. „Das war Kirche en passant.“ So so seien ihm die vielen Flaneure in Erinnerung geblieben: „Es war damals brütend heiß. Und die Zaungäste standen mit dem Bierchen in der Hand und der Fluppe zwischen den Lippen hinter der Hecke und beobachteten Kirche.“
Der Klostergarten war nicht aufdringlich. Brauchte er auch nicht. Er zog die Menschen auch so an. Dazu trugen aber sicher auch unter anderem die 29 Gottesdienste, zwei Trauungen und 46 Führungen mit 2000 Mitwirkenden bei. Von den 800 Veranstaltungen während der Landesgartenschau fanden allein 200 im Klostergarten statt.
„Unser großes Plus waren damals die vielen Ehrenamtlichen, die uns unterstützt haben“, erzählt der frühere Pastor. 60 Dauerkarten besorgte er damals für das Team. „Die Menschen mögen sich engagieren, wenn es temporär begrenzt bleibt“, sagt Kindler. Während der Landesgartenschau war so immer jemand vom Helferteam im Klostergarten, viele Besucher suchten das Gespräch, das oft sehr intensiv wurde, weil sie einfach etwas loswerden wollten.
Der ökumenische Klostergarten, mit Geldern unter anderem von der evangelischen Landeskirche und der katholischen Kirche unterstützt, glänzte durch Vielfalt. „Wir wollten Glauben multireligiös präsentieren“, sagt Kindler. So waren Gäste jüdischen und muslimischen Glaubens zu Gast und auch Baptisten aus Stelle. Dass die kirchlichen Veranstaltungen Anklang fanden, zeigen Besucherzahlen: Zu Landesbischöfin Margot Käsmann pilgerten 600 Besucher, bei Rolf Zuckowski waren 1000, und als absoluter Publikumsmagnet entpuppte sich 2006 die Hubertusmesse mit 6000 Besuchern.
Pflanzen aus den Heideklöstern
Was den Klostergarten als Garten angeht, verfolgte Pastor Dieter Kinder ein beeindruckendes Konzept: „Viele Pflanzen kamen aus den sechs Heideklöstern, die Sandsteinplatten aus dem Weserbergland“, sagt er. Die habe er selbst abgeholt, eine Hamburger Kalligrafin entwarf Schriftzüge mit biblischen Worten, die Georg David in die Steine einarbeitete. Immer wieder waren Äbtissinnen aus den Klöstern zu Gast und berichteten von ihren Gärten. Künstlerin Iris Rousseau stellte einen Engel aus.
In den Gästebüchern von damals blättert Dieter Kindler auch heute noch gerne. „Die Einträge sind kostbare Momente“, sagt er. „Ein Garten berührt von Gott“, schrieb ein Gast. Der Klostergarten war Kirche zum Anfassen. So wie das verteilte Rezept vom Bibelkuchen: Statt der Zutatenliste fanden sich darin nur Verweise auf Bibelzitate. Erst wenn man dort nachschlug, offenbarte sich die Zutat. Von Kathrin Röhlke