Winsen. Das Ende vergangenen Jahres gestartete Beweidungsprojekt im Naturschutzgebiet Luhe-Ilmenau-Niederung in Winsen hat sich schon jetzt bewährt: 30 Black Galloways tummeln sich derzeit auf dem fünf Hektar großen Areal nördlich der Luhebrücke im Zuge des Altstadtrings.
Die Herde besteht aus dem Bullen Bendix, 20 Kühen und den ersten neun Kälbern, die dort in den vergangenen Wochen auf der Fläche geboren wurden. Die genügsamen Tiere, die das ganze Jahr über auf der Weide bleiben, blöken vor Freude, als sie Züchter Henning Schmedecke-Vick erblicken: Wenn der Nebenerwerbslandwirt aus Ashausen und Pächter der Fläche nach seinen Galloways schaut, dann bringt er jedes mal Leckerlis mit – das wissen die Vierbeiner.
Im Grunde kommen die robusten Rinder gut alleine klar, finden ausreichend Wasser, Nahrung und Sonnenschutz auf der Fläche vor. Trotzdem kommt der Galloway-Halter fast jeden Tag in die Luhe-Niederung. „Die Tiere sind gut durch den Winter und durch den nassen Frühling gekommen“, sagt Schmedecke-Vick beim Vor-Ort-Termin mit dem WA. Der viele Regen sei bisher noch kein Problem gewesen. „Wenn es auf den Feuchtwiesen nahe der Luhe mal zu nass wird“, berichtet der 56-Jährige, „dann ziehen sie sich auf die etwas höher gelegene Fläche im östlichen Bereich zurück.“
„Schwung für die Luhe“
Das Beweidungsprojekt ist Teil der Renaturierungsmaßnahmen am Unterlauf der Luhe, die federführend von der Stiftung Lebensraum Elbe aus Hamburg koordiniert und von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises begleitet wird. Unter dem Motto „Schwung für die Luhe“ und mit Hilfe von EU-Fördergeldern hatte die Stiftung im Naturschutzgebiet in den vergangenen Jahren auf einer Fläche von etwa 20 Hektar neue Flussarme angelegt und das ganze Areal ökologisch aufgewertet.
Die Beweidung ist ein wichtiger Bestandteil des Gesamtkonzepts. Aufgabe der Galloways: Sie halten die Vegetation kurz und schaffen so ideale Lebensräume für den Storch, den Fasan und viele andere Tiere. In den eigens angelegten Tümpeln, die von den Hochlandrindern als Tränke genutzt werden, haben sich mittlerweile zahlreiche Amphibien angesiedelt.
Die Uferbereiche der Luhe und der neu angelegten Luhearme, an denen Entenvögel und auch der Biber zu Hause sind, werden durch Elektrozäune vor den Rindern geschützt. Das Konzept geht auf, die bisher bewirtschaftete Fläche wird von den Wiederkäuern kurz gehalten – jetzt ist es Zeit für eine Ausweitung der Fläche.
Am vergangenen Wochenende begann Schmedecke -Vick damit, eine weitere drei Hektar große Fläche nördlich des bisher bewirtschafteten Areals abzustecken: Auf diesen mit hohen Gräsern und Kräutern überwucherten Wiesen sollen die Galloways in den kommenden Monaten ihre landschaftspflegerische Tätigkeit – sie haben eine ähnliche Funktion wie die Heidschnucken in der Heide – fortsetzen.
Jedes Rind hat einen Namen
Der Züchter kennt seine Galloways, jedes Tier hat einen eigenen Namen. Ohrenmarken haben sie trotzdem – nur die frisch geborenen Kälber noch nicht. Verspielt und neugierig tollen sie über die Graslandschaft. So niedlich der Nachwuchs anmutet, irgendwann landen wohl auch diese Tiere als Steak in Bioland-Qualität auf dem Teller. Die Galloways wachsen allerdings langsamer als gemästete Hochleistungsrinder, sind deshalb in der Regel erst mit drei Jahren schlachtreif. Aus der Herde aussortiert werden die Kälber aber spätestens, wenn der nächste Nachwuchs auf die Welt kommt – damit keine Unruhe in der Herde aufkommt.
Unruhig wirken die stoischen, geduldigen Tiere überhaupt nicht. Bulle Bendix ist der Hahn im Korb – aber keineswegs der Boss der Herde. „Das Sagen haben die zwei Leitkühe“, verrät Schmedecke-Vick. Dass der Bulle das ganze Jahr über bei der Herde bleiben kann, ist eine Besonderheit der Galloways. „Mit normalen Hochleistungsrindern kann man das nicht machen“, sagt der Nebenerwerbslandwirt, der in einer Landwirtschaft aufgewachsen ist und im Hauptberuf als kaufmännischer Angestellt im Landhandel arbeitet. „Das würde die Kühe viel zu nervös machen.“
Nervös werden die Muttertiere aktuell nur in einem Fall: „Hunde mögen sie gar nicht“, verrät Schmedecke-Vick. Das liegt am Mutterinstinkt, die Hunde werden als Bedrohung für ihre Kälber empfunden. Die Geburt selbst sei übrigens in der Regel völlig unproblematisch, berichtet der Züchter. Die Kühe bringen die Kälber ganz alleine auf die Welt, lecken sie ab und kurz darauf stehen die Kleinen selbstständig auf ihren staksigen Beinchen. Selbst beobachtet hat der Landwirt das bei den bisher neun Geburten auf den Luhe-Wiesen allerdings noch nicht.
Probleme gab es bislang nie. „Einmal bekam ich einen Anruf von Mitarbeitern des benachbarten Bauhofes“, berichte Schmedecke-Vick. Angeblich machten sich Krähen an einem toten Kalb zu schaffen. Sofort fuhr der Nebenerwerbslandwirt zur Weide – und stellte dort erleichert fest: Krähen hatten sich lediglich an der Nachgeburt genüsslich getan, das frisch geborene Kalb war wohlauf. Von Rainer Krey
