23-Jähriger aus Seevetal wegen Hochstapelei vor Gericht

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Winsen. Der junge Mann auf der Anklagebank wirkt eher schüchtern, soll jedoch einen geradezu notorischen Betrüger darstellen. Vor dem Amtsgericht Winsen umfasst die Anklage satte 55 Punkte. Der 23 Jahre alte Seevetaler soll zum einen über Wochen online Lotto gespielt haben, ohne je die Lastschriften bedient zu haben. Der Schaden soll sich auf rund 360 Euro belaufen. Die letzten vier Anklagepunkte betrafen jeweils das Fälschen beweiserheblicher Daten.
Aus seiner Fachhochschulreife machte er ein Einser-Abi, um bessere Aussichten auf einen Studienplatz für Medizin zu erhalten. Außerdem fertigte er sich ebenfalls am Computer passende Zulassungsbescheide für drei Universitäten an. Er habe seine Familie, in der viele unter Krankheiten litten, mit einer Karriere als Mediziner stolz machen wollen. Vor Gericht gab er zu Beginn der Verhandlung die Urkundenfälschungen zu, bestritt jedoch die Lotto-Betrügereien.
Die Konzentration des Gerichts lag daher zunächst auf den Urkundenfälschungen. Der 23-Jährige gab an, sich zunächst auch mit seinem richtigen Abschlusszeugnis beworben zu haben, rechnete sich aber damit kaum Chancen aus. Darum habe er dann am letzten Tag der Bewerbungsfrist noch die Fälschung produziert und abgeschickt. Favorisiert für das Medizinstudium hatte er die Universitäten Hamburg und Göttingen sowie die Ruhr-Universität in Bochum, für alle gab es zunächst Zulassungen. In Hamburg und Göttingen gab es aber schnell Zweifel an den eingereichten Unterlagen, die Ruhr-Uni aber immatrikulierte den Seevetaler zunächst.
Von sofortiger Reuen kann keine Rede sein
Der junge Mann gab vor Gericht an, die Urkundenfälschungen direkt nach dem Klick auf „Versenden“ bereut zu haben. Das war allerdings nicht wirklich so. Wie eine Zwiebel schälte die Richterin den Angeklagten, denn die Reue dürfte deutlich später eingesetzt haben, etwa bei der Hausdurchsuchung durch die Polizei. Die Richterin hielt ihm seinen recht ausführlichen E-Mail-Verkehr mit den Universitäten vor, in denen er sich verwundert zeigt, weshalb es Zweifel an seinen eingereichten Unterlagen gebe.
Auch insistierte der 23-Jährige geradezu auf den erteilten Zulassungen. Ein bemerkenswertes Zitat aus den Mails lautet: „Ich möchte nicht als Betrüger dargestellt werden. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ Reue? „Sie geben hier nur zu, was wir Ihnen klar nachweisen können“, warf die Richterin dem Angeklagten vor. Und der gab zu, dass er einen der drei Studienplätze auch gerne angetreten hätte, wenn die Bewerbung schon erfolgreich gewesen wäre. Ein Gespräch mit seiner Verteidigerin brauchte es noch, um den Seevetaler auf Kurs zu einer geständigen Einlassung zu bringen.
Verworrener war der Sachverhalt zu den Lotto-Betrügereien. In der Anklage steht, dass der Seevetaler im Januar 2020 in einer Lotto-Annahmestelle ein Online-Konto zur Spielteilnahme beantragt und nach erfolgreicher Verifizierung auch erhalten habe. Kurz darauf sei die Zahlungsart geändert worden, sodass Lotto Niedersachsen keine Abbuchungen mehr tätigen konnte. Vier Wochen später etwa habe der Anbieter das Konto sperren lassen und die weiter auflaufenden Forderungen an ein Inkasso-Unternehmen abgetreten.
Jede Menge unbemerkte Kontobewegungen
Der Angeklagte bestritt nun überhaupt ein Spielerkonto beantragt zu haben. Für ihn seien diese Transaktionen unbemerkt geblieben. Er habe bei seiner Hausbank von einem Schülerkonto auf ein Girokonto gewechselt. Dazu habe es auch eine Kreditkarte und Online-Banking gegeben. Beides nutze er jedoch nicht, weil es ihm zu unsicher sei. Deshalb habe er auch die Vielzahl der Kontobewegungen wegen des Lottospiels zunächst nicht bemerkt.
Als Zeugin war eine Justiziarin von Lotto Niedersachsen in Winsen. Sie bestätigte, dass es nach der Konto­sperrung noch einen Anmeldeversuch gegeben habe. Gespielt worden seien immer Rubbellose.
Die Verteidigerin wies darauf hin, dass die Geldsummen aus der Anklage nicht mit den abgebuchten Summen auf dem Konto übereinstimmten. Zudem sei ihr Mandant auch über sein Handy mit Spam-SMS für Casino-Spiele überhäuft worden. Bei der Schufa seien zeitweise 30 Kreditanfragen pro Tag auf den Namen des Angeklagten von insgesamt vier vermeintlichen Wohnadressen eingegangen. Auch bei den Lotto-Stammdaten sind lediglich die Postleitzahl und die Telefonnummer richtig, konnte vor Gericht festgestellt werden.
Ein ganzer Haufen an Ungereimtheiten, der darauf hindeutet, dass der 23-Jährige im selben Verfahren nicht nur Täter, sondern auch Opfer eines Datenmissbrauchs geworden ist. Möglicherweise wird es neue Ermittlungen in diesem Fall geben. Den Schaden aber hat der junge Mann, der nun bei seiner Bank einen Überziehungskredit abzahlen muss. Hinzukommt nach dem Urteilsspruch zum Fälschen beweiserheblicher Daten eine Geldstrafe in Höhe von 1400 Euro. Von Björn Hansen