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Am 16. Juli fand hier in Bardowick eine Party statt. Seither sind mehr als 100 Personen direkt oder indirekt über spätere Kontakte zu Familienmitgliedern mit Coronaviren infiziert worden. Foto: be

Mehr als 100 Fälle gehen auf Abi-XXL-Party zurück – Landkreis prüft mögliche Verstöße gegen Corona-Verordnung

Lüneburg. Keine Kommune in Deutschland hat einen höheren Inzidenzwert als der Landkreis Lüneburg. Hauptgrund für diese traurige Spitzenposition ist die Abi-XXL-Party am 16. Juli: Rund 600 überwiegend junge Menschen nahmen an dieser Feier in Bardowick teil. Seit der Party hat es bis zum Dienstag im Landkreis Lüneburg 152 neue Corona-Fälle gegeben. 110 davon lassen sich direkt oder indirekt auf diese Veranstaltung zurückführen. Kein Wunder, dass die Party noch immer für Diskussionen, für Unverständnis und auch für Wut sorgt. Denn wegen des starken Anstiegs der Inzidenzwerte musste der Landkreis bereits drei Allgemeinverfügungen erlassen – mit stärkeren Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft in der Region.
Die Frage, wer die Verantwortung trägt, wer Verursacher ist, beherrscht die meisten dieser Diskussionen. Ist jemand haftbar zu machen? Hat jemand Test-Ergebnisse gefälscht, wie behauptet wird? Gibt es Ermittlungen? Die „Landeszeitung“ hat nachgefragt. Beim zuständigen Landkreis. Und beim Veranstalter.
600 Gäste bei der Feier
Einig sind sich beide Seiten da­rin, dass es zum Zeitpunkt der Planung und der Party selbst keine Genehmigungspflicht gab. Denn der Inzidenzwert lag im Vorfeld bei 0,5, am 16. Juli bei 2,2. Das ließ gemäß der niedersächsischen Corona-Verordnung Veranstaltungen bis zu 1000 Personen zu – bei Vorlage eines negativen Testergebnisses.
„Wir haben 800 Tickets verkauft, letztlich waren 600 bei der Party“, sagt Maximilian Zapke, Geschäftsführer des Veranstalters Unlimited Events mit Sitz in Lüneburg. Der Veranstalter, betont er, habe sich an alle Vorgaben gehalten. Jeder Gast habe ein negatives Corona-Testergebnis vorzeigen und sich dann bei der Luca-App anmelden müssen. „Über die Auswertung der Luca-App sind 437 Kontakte bekannt, es waren aber rund 600 Gäste bei der Party, sagt Katrin Holzmann, Pressesprecherin des Landkreises Lüneburg. Diese Differenz erklärt Zapke so: Einige Gäste hatten die App nicht auf ihrem Smartphone oder konnten sie nicht herunterladen. Bei anderen war der Akku leer.“ In solchen Fällen habe der Veranstalter die persönlichen Daten erfasst, die Personalausweise abfotografiert. Diese Daten lägen dem Gesundheitsamt vor.
Zapke weist auch den Vorwurf zurück, dass es ihm und seiner Firma nur um Geschäftemacherei gegangen sei. „Dann hätten wir ja auch 1000 Tickets verkaufen können.“ Die aufwendigen Kontrollen hätten sogar dazu geführt, dass sich lange Schlangen vor dem Gebäude der ehemaligen Diskothek „Magic“ an der Ilmenau bildeten. „Manche mussten bis zu drei Stunden warten. Andere sind wieder weggefahren, weil es ihnen zu lange dauerte. Wir haben dann das Geld für die Tickets erstattet“, erzählt Zapke.
Die Bezeichnung „Abi-XXL-Party“ ist allerdings etwas irreführend. Denn längst nicht alle Gäste waren Abiturienten, sondern einfach nur junge Leute, die mal wieder feiern wollten. Das bestätigt Zapke. Er kooperiere für solche Partys mit Schülern und Schulen, wo dann für die „Abi-Party“ geworben wird. Dafür gebe es einen kleinen Bonus. Das sei schon seit Jahren so.
Damit ist die „Schuldfrage“ aber noch ungeklärt. Zapke sieht sich zu Unrecht am Pranger. Beim Wort „Party“ werde man gleich in eine Ecke gestellt. Auch in der Stadt. Dabei gab es schon vor der Corona-Pandemie kaum noch Diskotheken oder Orte, wo junge Leuten feiern konnten. Zapke glaubt, dass ein Gast ein gefälschtes Testergebnis vorgezeigt habe und ein weiterer trotz Quarantäne-Anordnung zur Party gekommen sei. Dann seien leider viele andere infiziert worden. Dazu gebe es Ermittlungen.
Genau das bestreitet Katrin Holzmann entschieden. „Es lässt sich nicht nachweisen, dass jemand ein Test-Ergebnis gefälscht hat oder dass jemand trotz Quarantäne zur Party gekommen ist.“ Richtig sei, dass am Montag nach der Party positive PCR-Testergebnisse von weniger als fünf Personen vorgelegen haben. Es ist davon auszugehen, dass diese Personen zum Zeitpunkt der Party infiziert waren, davon aber nichts wussten.“ Es gebe auch keine Ermittlungen gegen sie. Auch nicht seitens der Polizei. Allerdings ermittelt der Landkreis gegen den Veranstalter, und zwar „im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens wegen möglicher Verstöße gegen die Corona-Verordnung“, sagt Holzmann. In einigen Bereichen könnten Vorgaben nicht eingehalten worden sein.
Bardowick wollteParty verhindern
Für Maximilian Zapke sind die „Ermittlungen“ keine Überraschung. Er betont, dass alle Vorgaben eingehalten wurden. Auch ein Abstandsgebot habe es bei Inzidenzen unter zehn und negativem Test in geschlossenen Räumen nicht gegeben. Er hoffe, dass die Ursachen schnell geklärt werden, damit man für künftige Veranstaltungen daraus lernen könne.
Allerdings hatte die Samtgemeinde Bardowick noch versucht, die Party zu verhindern. Genehmigungspflichtig war die Party zwar nicht, aber gaststättenrechtlich musste sie vier Wochen vorher angemeldet werden. „Das ist nicht rechtzeitig geschehen“, bestätigt Arndt Conrad, Stellvertreter des Samtgemeindebürgermeisters. Die Party hätte nicht stattfinden dürfen. Doch der Veranstalter habe dann angegeben, dass ein Mann, der noch eine Konzession für die ehemalige Diskothek hat, die Veranstaltung übernehme.
„Dagegen konnten wir nichts machen“, betont Arndt Conrad. Doch dieser „neue“ Veranstalter habe dann für den zweiten Tag einen Rückzieher gemacht. Daher habe es am Sonnabend nicht Teil zwei der Party gegeben. Von Werner Kolbe