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„Mir sind die Hände gebunden, bis die Menschen in Deutschland sind“, erklärt Sarah MacKenzie-Ceman. Foto: mhe

Sozialarbeiterin Sarah MacKenzie-Ceman betreut junge Afghanen im Landkreis Harburg und in ihrer Heimat

Winsen. Als er im Februar entschied, in seine Heimat Afghanistan zurückzukehren, war noch nicht absehbar, ob die NATO bleibt oder nicht. Letzte Woche hat sich der junge Mann, den Sozialarbeiterin Sarah Mac-Kenzie-Ceman vom Awo-Kreisverband Harburg-Land betreut, bei ihr aus dem Krisenherd gemeldet: „Welche Möglichkeiten gibt es? Ich muss hier raus“. – „Für uns in der Beratungsstelle ist es schwierig. Mir sind die Hände gebunden, bis die Menschen in Deutschland sind“, sagt dazu die Migrations- und Flüchtlingsberaterin im Gespräch mit dem WA.
Der junge Afghane, der wie aktuell 628 seiner Landsleute im Landkreis Harburg gemeldet ist, aber nur geduldet war, stand kurz vor seiner Abschiebung. Der Zeitpunkt hierfür stand jedoch noch nicht fest, als er sich entschloss, nach Afghanistan zurückzukehren. „Als er sich gemeldet hat, musste ich herausfinden, was für Möglichkeiten es gibt. Leider keine. Selbst für die Regierung ist es schwierig, die Leute auszufliegen. Ich kann nur aus der Ferne emotionalen Beistand leisten.“ Sarah MacKenzie-Ceman ist dankbar, dass sie überhaupt mit dem jungen Afghanen kommunizieren kann, „und dass es ihn noch gibt. Es kann aber auch sein, dass er sich schon morgen nicht mehr meldet“, sagt sie sichtlich mitgenommen.
Doch dass er sich an die deutsche Organisation gewandt hat, sei ein zweischneidiges Schwert. „Einerseits braucht er das, um Unterstützung zu bekommen. Aber wenn er mit den Unterlagen auf der Straße aufgegriffen wird – sie pokern dort jede Minute um Leben“, erklärt Sarah MacKenzie-Ceman die Situation vor Ort.
Ein weiterer von der hiesigen Awo betreuter Afghane sorgt sich um seine Familie in Afghanistan. Sein Bruder versucht mit seinen kleinen Töchtern das Land zu verlassen. Die Mädchen dürfen nicht mehr in die Schule. Selbst wenn der Vater die Kinder begleiten kann, hat er Angst, sie aus dem Haus zu lassen, berichtet die Migrations- und Flüchtlingsberaterin. „Wenn ich es richtig verstanden habe, ist er alleinerziehend. Wenn ihm etwas zustößt, sind die Mädchen allein. Aber auch da mussten wir sagen, es gibt leider nichts, was wir tun können; versucht zu einem Flughafen zu kommen und hofft, dass jemand euch mitnimmt.“
Die Anfragen werden jetzt häufiger werden, ist sich Sarah MacKenzie-Ceman sicher. 2015 kam eine Gruppe unbegleiteter jugendlicher Afghanen im Landkreis Harburg an. Mittlerweile sind alle sechs Anfang 20, absolvieren eine Ausbildung und „haben alle eine relativ gute Bleibeperspektive.“ Seit Freitag haben sie keinen Kontakt mehr zu ihren Familien.
„Es geht ihnen richtig sch…“, findet Sarah MacKenzie-Ceman klare Worte. Die jungen Männer wollen ihren Angehörigen helfen, schicken Geld nach Afghanistan. „Mein Kollege, der die Jungs betreut, weiß nicht recht, was er ihnen sagen soll. Er sagte er kann ihnen eigentlich nicht mehr in die Augen schauen, wenn man daran denkt, was die deutsche Regierung macht.“ Von Marieke Henning