Winsen. Kleine, lokale Kaffeeröstereien sind angesagt, machen Tchibo und Co. seit Jahren zunehmend Konkurrenz. Mehr als 900 Kaffeeröster gibt es mittlerweile bundesweit, in fast jedem Landkreis findet man sie. Auch im Landkreis Harburg: Seit März 2018 ist die kleine Kaffeerösterei Cremax von Dirk Chorrosch in der Plankenstraße mitten in Winsens Altstadt angesiedelt – ein Ein-Mann-Betrieb. Chorrosch kauft die grünen Kaffeebohnen aus Nicaragua und Uganda säckeweise im Hamburger Hafen, röstet sie, mischt, mahlt, verpackt und etikettiert den Kaffee selbst. Und liefert ihn an zahlreiche Partner – überwiegend Edeka- und Famila-Märkte in der Region – aus. „Seevetaler Bohne“ heißt seine Mischung, die er als Kaffee und als Espresso anbietet, wahlweise als ganze Bohnen oder in unterschiedlichen Graden gemahlen. Der WA besuchte den selbstständigen Kaffeeröstmeister in seiner kleinen Kaffeerösterei in Winsen – und erfuhr dabei unter anderem auch, warum er seinen Kaffee „Seevetaler Bohne“ nennt, obwohl er doch in Winsen produziert wird.
Im Wendland röstete er seinen ersten Kaffee
„Angefangen hat alles damit, dass ich 2010 ins Wendland zog, um dort ein Café zu eröffnen“, erzählt der gebürtige Hamburger. Ein Freund riet ihm, einen eigenen Kaffee zu rösten. Und da Chorrosch schon immer leidenschaftlicher Kaffeetrinker war und den Geruch frisch gerösteter Kaffeebohnen liebte, griff er die Idee auf. Er besuchte ein Wochenend-Röstseminar am Niederrhein. „Das reichte mir nicht, ich wollte alles über Kaffee erfahren“, sagt der heute 55-Jährige. Der gelernte Baustoff-Kaufmann hatte Feuer gefangen und begann im Wendland seinen ersten eigenen Kaffee zu rösten. Der kam so gut an, dass es bald eine Anfrage von Famila in Dannenberg gab: Man würde seinen Kaffee gerne im Markt verkaufen. „Lokale Produkte waren gerade sehr im Kommen“, weiß Chorrosch. Er ging darauf ein, der Wendland-Kaffee war geboren. „Den gibt es heute noch“, verrät er. Einmal im Monat führt seine Tour ihn weiterhin nach Dannenberg – obwohl es den Kaffeeröster schon 2016 privat nach Winsen zog, wo er und seine Frau auch schnell eine passende Wohnung fanden. Die Suche nach Räumlichkeiten für die Rösterei gestaltete sich aber weit schwieriger. „Weil ich zunächst nichts geeignetes in Winsen fand, röstete ich meinen Kaffee auf dem Hof einer Bekannten in Seevetal“, erzählt Chorrosch. Daher der Name „Seevetaler Bohne“.
Ob „Wendland-Kaffee“ oder „Seevetaler Bohne“ – in den 250-Gramm-Tüten seiner Firma Cremax ist im Grunde immer das gleiche drin. „Ich mache einen Kaffee und einen Espresso“, sagt Chorrosch. Grundlage seines Biokaffees sind immer die gleichen Bohnen – Arabica aus Nicaragua und Robusta aus Uganda –, die er über einen befreundeten Kaffeehändler aus Hamburg bezieht. Sein Kaffee ist eine Mischung beider Bohnen, für den Espresso benutzt er nur Arabica. Den richtigen Röstgrad hat er durch Ausprobieren herausgefunden. Etwa eine halbe Stunde müssen die Bohnen rösten, am Ende muss er jede Minute eine Probe nehmen, um die ideale Röstung zu bekommen. 70 Kilogramm fassen die Jutesäcke mit den grünen Bohnen. Für eine Röstung benötigt er sieben Kilo Rohkaffee, nach dem Rösten verbleiben davon 5,5 Kilo – der Rest ist Schwund.
Rohkaffee kommt in die Rösttrommel
Der Röstmeister erklärt dem WA, wie das Ganze funktioniert: Der Rohkaffee wird über einen Trichter in die Rösttrommel eingefüllt, die Trommel wird mit einem Brenner erhitzt. Durch ein Bullauge kann Chorrosch beobachten, wie die Bohnen ihre Farbe verändern – von Grün hin zu verschiedenen Brauntönen. „Wenn der Kaffee zu lange geröstet wird, wird er bitter“, erklärt er. Nach 15 Minuten beginnt er mit dem Ziehen der Proben – dafür gibt es in der Anlage extra einen Probenzieher. Nun heißt es riechen und schauen. Ist der Kaffee lange genug geröstet, öffnet Chorrosch die Klappe und die nun dunkelbraunen Bohnen fallen in ein Kühlsieb. Auch die Abkühl-Phase ist wichtig, um den vollen Geschmack zu erhalten. Das kontrollierte Abkühlen mittels Gebläse sorgt dafür, dass die Bohnen nicht nachrösten. Mahlen kann der Röstmeister die frisch gerösteten Kaffeebohnen erst nach 24 Stunden.
Kann man vom Kaffeerösten leben? Schuldenfrei sei er, antwortet Chorrosch. Und seit zwei Monaten schreibe er auch schwarze Zahlen. „Reich wird man damit aber nicht“, lacht der gebürtige Hamburger mit vielfältiger Berufserfahrung. Aber das sei auch nicht sein Ziel, sagt er. Reich sei er Anfang der 1990er-Jahre schon mal gewesen – da war er als Immobilienmakler im Osten Deutschlands tätig. Nach mehreren Herzinfarkten will Dirk Chorrosch heute nur noch eines: Spaß an seinem Job haben. „Ich bin Kaffeeröster aus Leidenschaft“, sagt er. Sein mittlerweile erworbenes Fachwissen gibt er in eigenen Röstseminaren weiter. Tauscht sich auch gerne mit anderen Röstern aus. Das Fachsimpeln gehört dazu. Denn das Kafferösten ist für ihn viel mehr als eine Technik zur Kaffeeherstellung – es ist ein Stück Lebenskultur. Auch ein Stück moderner Männer-Kultur, ähnlich wie das angesagte Craft Beer-Brauen? Chorrosch denkt kurz nach, dann bejaht er die Frage: „Das kann man wohl gut vergleichen.“ Er selbst wird aber beim Kaffeerösten bleiben – damit kennt er sich aus. Seine Kunden werden es ihm danken. Von Rainer Krey
