Bahlburg. Meckelfeld, Otter-Todtshorn, Bahlburg, Egestorf-Soderstorf und die Elbmarsch haben momentan eine eher unschöne Gemeinsamkeit: Sie zählen zu den 90 Teilgebieten, die ganz grundsätzlich für ein Atommüll-Endlager in Frage kommen. Dies hat zumindest die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) so herausgearbeitet. Die BGE hat 2017 den Auftrag erhalten, ein Endlager für Atommüll in Deutschland zu finden. Dabei ist man insbesondere auf geologische Daten angewiesen, Salz-, Ton- und Kristallingesteine werden gesucht. Darin könne man Atommüll gut lagern. Gesucht wird damit auch Platz für rund 17 000 Tonnen hochradioaktiven Atommüll, der vor Ort dann eine Million Jahre sicher gelagert werden soll.
Es klingt schon etwas abenteuerlich, aber für den Winsener Ortsteil Bahlburg ist es momentan sogar richtig gruselig. Unter Bahlburg liegt auf rund 19 Quadratkilometern ein Salzstock, der etwa 1500 Meter tief ist. Dieser Salzstock ist der Grund, weshalb Bahlburg nun auch zu einer von bundesweit vier Modellregionen ernannt worden ist. In diesen Modellregionen soll vor allem vergleichbares Datenmaterial erhoben werden. In Bahlburg leben knapp 800 Menschen.
Vor sechs Wochen hat sich dort nun eine Bürgerinitiative gegründet, die ein Atommüll-Endlager vor Ort verhindern will. Rund 15 Mitglieder sind dabei, Posten habe man noch keine vergeben, berichtet Christian Grupp, 40 Jahre alt und selbstständiger IT- und Unternehmensberater, im WA-Gespräch. Vor allem habe man sich in den letzten Wochen intensiv mit dem Thema Standort-Suche befasst. Da erfährt man viel über Geologie, aber auch wie wenig transparent das sogenannte „transparente Verfahren“ tatsächlich ist.
Über die Modellregion hat die BGE nicht informiert
Dass Bahlburg überhaupt Modellregion ist, hat auch die Winsener Kreisverwaltung nur durch die Hintertür erfahren. Im Dorf selbst schrillen dagegen die Alarmglocken, geht man doch von einer keineswegs abstrakten Gefahr aus, sondern davon, dass ein Atommüll-Endlager vor der Haustür denkbar sei. Die Bürgerinitiative fürchtet Gesundheitsrisiken für Mensch und Tier, den Verlust von Lebensqualität, die Zerstörung der dörflichen Strukturen, eine Entwertung der Grundstücke und die Stigmatisierung als atomare Müllkippe Deutschlands.
„Wir wollen zuerst die Menschen informieren, den Fokus auf dieses Thema lenken und allen klar machen, dass auch eine Entscheidung nicht mehr fern ist“, sagt Grupp. 2031 soll der Standort für das Endlager benannt werden. Bei aller geologischer Datenerhebung und Bewertung liegt die letzte Entscheidung nicht in Expertenhand. Die BGE schlägt Standorte vor, aber eine Abstimmung im Bundestag bestimmt letztlich, welche Standorte weiter untersucht werden, bis am Ende zwei Standorte übrig sind. Die Auswahl trifft auch da allein das Parlament per Abstimmung.
Es wird also vor allem eine politische Entscheidung. Die Bürgerinitiative hat jetzt die Bundestagskandidaten im Wahlkreis 36 angeschrieben und um Stellungnahmen zum Thema Endlager Bahlburg gebeten. Noch wartet man auf Antworten. „Wir fordern, dass das Verfahren wirklich transparent abläuft und man die betroffenen Bürger beteiligt“, so Grupp. Er weist darauf hin, dass die bisherigen Endlager in Deutschland jeweils in Salzstöcken waren. Die gebe man ja nun auf, da sie sich als ungeeignet erwiesen hätten. Warum also erkläre man Bahlburg zur Modellregion, eine Ortschaft, wo es auch nur einen Salzstock gebe, und die Teil der Metropolregion Hamburg sei?
Die Bürgerinitiative will die Öffentlichkeit aufwecken
Der 40-Jährige verweist auch auf die Geschichte des Salzstocks, der schon einmal als Alternative zu Gorleben untersucht worden sei, aber für zu tief befunden worden sei. Schon vor rund 100 Jahren habe es Bohrungen gegeben, in den 50er- und 60er-Jahren habe man wieder nach Öl und Gas gebohrt. Das lasse auf ein wenig gutes Umfeld für Atommüll schließen. Die Bürgerinitiative ist dabei, ihre Hausaufgaben zu machen. Nun will man an die Öffentlichkeit treten, eine Website soll heute online gehen. Auch weitere geologische Fragen wolle man mit Expertenhilfe noch beantworten.
Steigt man in die Materie ein, gewinnt man schnell den Eindruck, dass die Kritik am Verfahren, die der BUND oder auch Jochen Stay aus Buchholz von der Initiative „.ausgestrahlt – gemeinsam gegen atomenergie“ äußern, zutreffend ist. Warum eine riesige Sammlung geologischer Daten anhäufen, wenn diese bei der Entscheidung eine untergeordnete Rolle spielt? Wie will man seriös einen sicheren Standort für die nächste eine Million Jahre bestimmen? Dass der Bundestag per Gesetz über die Standorte entscheidet, ist umstritten. Betroffenen baut man damit enorme Hürden für eine Klage auf. Zudem wirkt das bisherige Vorgehen gelinde gesagt sehr pauschal. Die BGE stuft rund 54 Prozent der Bundesrepublik als geeignet für ein Endlager ein, in Niedersachsen sind es sogar 60 Prozent. Umweltminister Olaf Lies (SPD) beklagt, dass es in diesem Verfahren in Differenzierung mangele und erwägt ein eigenes Gutachten des Landes. Von Björn Hansen