Anzeige
Mitglieder der Bürgerinitiative gegen ein Atomendlager in Bahlburg (v.l.): Dr. med. Albrecht Grupp, Dieter Roth, Ulrike Hermann, Annette Kinzer, Suzan Goldschmidt, Volker Plath, Herbert Ahrens, Karsten Jährling, Friedrich Goldschmidt und Christian Grupp. (Foto: jz)

Gorleben ist nun in Bahlburg: Ort macht mobil gegen Pilotprojekt für Endlagersuche

Bahlburg. Wer sich Bahlburg nähert, merkt sofort, dass hier ein kämpferischer Geist weht. Am südlichen Ortseingang symbolisieren Holzkreuze Widerstand – gegen Kiesabbau im benachbarten Vierhöfen. Nördlich des Ortes wurde gerade ein Kreisel neu gebaut. Der hat zwar noch keine regulären Hinweisschilder, dafür macht ein selbstgezimmertes klar, dass Gorleben inzwischen in dem Winsener Ortsteil liegt. Das Schild weist auf das „Atomendlager Bahlburg“ hin, in der gleichen Richtung liegt die „Kaputte Heimat“. Erste Aktion der Bürgerinitiative, die sich vor sechs Wochen gegründet hat und am Mittwochabend erstmals an die Öffentlichkeit ging – und den Ort gleich mobilisierte.

Mehr als 300 Bahlburger trafen sich auf dem Bolzplatz hinter dem „Dörpshus“, um sich gegen eine schleichende Bedrohung zu stemmen, die nach ihrem Empfinden unter ihren Füßen nach Bahlburg einsickert. Genauer gesagt, 640 bis 1500 Meter unter den Kindern, die an diesem Abend im hohen Gras Grashüpfer fingen, ruht der Salzstock Bahlburg. Und der wurde von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) als Modellsalzstock erkoren, um Kriterien für die Bewertung der Sicherheit von Salzstöcken als Atomendlager zu entwickeln.

Ein Vertreter der BGE hatte sich verplappert

„Das schlug hier wie eine Bombe ein“, schilderte Dr. Albrecht Grupp von der BI. Auch, weil Vertreter des Landkreises Harburg am 16. Juni bei einer digitalen Endlagerkonferenz nur deswegen von den Plänen für Bahlburg erfuhren, weil sich ein Vertreter des BGE verplappert hatte.

Zwar versuchte die Bundesgesellschaft sofort, die Wogen der Empörung zu glätten. Dies sei „keine Entscheidung für Bahlburg als Endlager“, wurde Landrat Rainer Rempe versichert. Vielmehr sollen in den vier Pilotregionen – neben Bahlburg (stehende Salzstrukturen) sind dies das Thüringer Becken (flache Salzlager), Bayern/Baden-Württemberg (Ton), Sachsen bis Baden-Württemberg (Granit) – Methoden entwickelt werden, mit denen auch die übrigen 86 Suchgebiete unter die Lupe genommen werden.

Das beruhigte auf dem Bolzplatz niemanden. „Wie kann man an ein Endlager denken inmitten von 67,5 Hektar Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiet?“, fragte Jürgen Stuhtmann. Von den 60 im Zwischenbericht zur Endlagersuche genannten Salzstöcken, „schneiden 6 besser ab als Bahlburg“, rechnete Annette Kinzer vor, „davon liegen allerdings zwei in der Nordsee. 30 Salzstöcke sind gleich gut und 23 schlechter. Ich mag nicht glauben, dass Bahlburg ausgelost wurde. Aber wir sind jetzt im Fokus und da bleiben wir auch, wenn wir uns nicht jetzt wehren.“ Nach Angaben von Dr. Nils-Oliver Höppner hatte die BGE die Auswahl von Bahlburg gerade mit der „Mittelmäßigkeit“ des Salzstocks begründet. Hier gewonnene Ergebnisse könnten auf zwei Drittel der Salzstöcke übertragen werden.

Angst, das Atomklo der Republik zu werden

Doch für die BI „liegt die Vermutung nahe, dass der Salzstock Bahlburg bereits in die engere Auswahl für das Endlager gerückt ist. Es wäre fatal, den Beteuerungen der BGE, das sei nicht so, Glauben zu schenken.“

Zwar ist allen an der Endlagersuche Beteiligten klar, dass nirgends Begeisterung aufkommen wird, wo sie den Finger auf die Landkarte legen. Doch in Bahlburg spricht man nach der nicht offen kommunizierten Entscheidung für die Pilotregionen nur im höhnischen Ton, vom „transparenten, wissenschafts-basierten, lernenden Suchprozess“.

Nicht zuletzt, weil die nur vage Möglichkeit, das Atomklo der Republik zu werden, bereits sehr konkrete Auswirkungen hat. „Ein junges Paar ist beim Notar von seinem ausverhandelten Hauskaufs-Vertrag zurückgetreten“, berichtete BI-Mitglied Herbert Ahrens, „auch im benachbarten Garstedt wurde ein Hauskauf storniert“.

Infoverstanstaltung Ende des Monats in Garstedt

Interesse am Boden unter ihren Füßen sind die Bahlburger gewohnt, spätestens, seit in den 50er-Jahren Firmen dort nach Öl und Gas suchten. „Alle Bauern der Region haben sich damals eine Salzabbaugerechtigkeit eintragen lassen“, sagte der stellvertretende Landrat Rudolf Meyer. Doch von den Salzschürfrechten würden sie nicht profitieren, wenn das Salz nur Castoren aufnehmen sollte. Dass dies keineswegs vorentschieden sei, will die BGE den besorgten Bürgern am 28. September, ab 19 Uhr, auf einer Info-Veranstaltung in der Auetal-Sporthalle in Garstedt vermitteln.

Parallel zur ersten Veranstaltung der BI war es im Kreishaus Winsen zu einem Treffen vom Landrat, Winsens Bürgermeister André Wiese, Salzhausens Samtgemeindebürgermeister Wolfgang Krause und Steffen Kanitz, einem der BGE-Geschäftsführer gekommen.

Dort dürfte der kämpferische Geist der Bahlburger bereits bemerkt worden war, den eine Anwohnerin auf dem Bolzplatz in Worte fasste: „Ich glaube, dass die Politik das Endlager dort hinsetzt, wo es am wenigsten Widerstand gibt. Also müssen wir uns überlegen, wie wir Widerstand leisten können.“

Von Joachim Zießler