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Reinhard Gräler und Bernhard Roth vermittelten ihrer Soiree Herbststimmung in St. Marien. (Foto: mt)

Bernhard Rath und Reinhard Gräler verbreiteten Herbststimmung

Winsen. Johann Sebastian Bach konnte nicht ahnen, dass man seine Sonaten für Viola da gamba und Cembalo irgendwann auf dem Cello spielen würde, und doch hätte er gegen diese Besetzungsvarianten sicher keine Einwände gehabt. Die 60 Gäste auf der Cello-Soiree in der St.-Marien-Kirche in Winsen hatten auch keine. Die Freunde der Kirchenmusik und der Brahms-Freundeskreis hatten zu diesem einmaligen Erlebnis eingeladen. Damit sich das Cello voll entfalten konnte, blieb der Deckel des Steinway-Flügels diesmal zu.

Die Sonate g-Moll BWV 1029 kommt im Vivace-Satz beschwingt daher, findet im folgenden Adagio zur Gemütlichkeit und landet im Allegro zum netten Zwiegespräch: Der Streicher gibt das Thema vor, der Pianist umspielt es, und manchmal antwortet er auch.

Die Sonate e-Moll op. 38 für Klavier und Cello von Johannes Brahms klingt nach Herbst. Gerade mal 22 Jahre jung, hat er dieses Werk geschrieben. Schon die Bezeichnung – das Klavier steht vor dem Streicher – wirft auf den ersten Blick Fragen auf. Die Antwort ergibt sich schon nach den ersten Takten. Im Allegro non troppo legt das Klavier das Thema vor, und das Cello nimmt es kraftvoll auf. Einige geradezu ruppige Passagen, dann erkämpfen sich die beiden Partner ein harmonisches Miteinander. Das Cello scheint zu singen, auch wenn das energischere Seitenthema einen Ausflug in die Dramatik unternimmt. Der erste Satz verklingt anrührend-friedlich.

Im Allegro quasi Menuetto mit seiner gedämpften Heiterkeit und dem zögernden Charme, der die gesanglichen Melodiebögen einleitet, versetzt das Cello in mittlere und höhere Lagen. Das Hauptthema des dritten Satzes Allegro ist fugatisch gestaltet und steigert sich bis zum Presto hin – einfach atemberaubend.

Rachmaninoff zum Schluss: Der dritte Satz Andante aus der Sonate g-Moll op. 19 scheint die fallenden Blätter in den letzten Sonnenstrahlen zu begleiten. Immer wieder ist das Klavier auch solistisch in ungewöhnlicher Zartheit zu erleben, und endlich verhallt der letzte Ton, so lange ausgezogen, so dass das Klavier längst verstummt ist.

Die sechste Winsener Brahms-Woche klingt morgen um 19 Uhr in der St.-Marien-Kirche aus. Das Klavierquintett f-Moll op. 34 von Johannes Brahms bildet den Mittelpunkt des Abends. Zu hören sind Maike-Marie Schmersahl, Isabel Würdinger, Galinea Rohreck, Heike Schuch und Dorothea Haarbeck.

Von Martin Teske