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Sitzverteilung. (Grafik: LK Harburg)

Nach der Wahl: Schwierigere Willensbildung im Kreistag

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Landkreis. Mehrheiten zu finden wird im neu gewählten Kreistag nicht einfacher werden – so lässt sich das Wahlergebnis vom Sonntag zusammenfassen.

Stärkste Fraktion bleibt die CDU mit 32,3 Prozent der Stimmen, das sind 1,4 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl vor fünf Jahren. Die SPD verliert 1,2 Prozentpunkte, liegt jetzt bei 24,1 Prozent der Stimmen. Drittstärkste Kraft bleiben die Grünen mit 19,4 Prozent, sie gewinnen 5,5 Prozentpunkte dazu. Die FDP mit 7,7 (+1,9%) und die FWG mit 7,5 (+2,8%) Prozent haben die AfD, die nur noch auf fünf Prozent der Stimmen kommt, abgehängt. Die Linke zieht mit 2,3 Prozent der Stimmen erneut in den Kreistrag ein, die Partei dieBasis ist mit einem Prozent – und einem Sitz – erstmals dabei.

Die Wahlbeteiligung bei der Kreistagswahl lag mit 59,5 Prozent etwas höher als im niedersächsischen Schnitt (57,1 Prozent) und auch höher als bei der Kommunalwahl 2016 (57 Prozent). Insgesamt wurden 125 095 gültige Stimmzettel abgegeben. Wahlberechtigt waren 213 972 Bürgerinnen und Bürger. Künftig hat der Kreistag 64 statt bisher 62 Sitze. Die Sitzverteilung: Die CDU bleibt bei 21 Sitzen, die SPD verliert einen Sitz und kommt jetzt auf 15. Die Grünen gewinnen drei Sitze dazu, kommen jetzt auf zwölf Mandate. FDP und FWG kommen auf je fünf Sitze, die AfD auf drei, die Linke auf zwei Sitze. Wie bewerten die drei großen Parteien das Wahlergebnis? Der WA sprach mit der stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Anette Randt, Tobias Handtke (SPD) und Ruth Alpers (Grüne).
Sachbezogen mit Themen umgehen
In der CDU ist man trotz der leichten Verluste zufrieden mit dem Wahlergebnis. „Der Bundestrend war ja nicht so gut“, sagt Fraktions-Vize Anette Randt. Man bleibe die mit Abstand stärkste Fraktion.

Es hätte für die Christdemokraten im Landkreis daher weit schlimmer kommen können. In Sachen Mehrheitsfindung erwartet Randt „viel Arbeit“, die sich aber lohne: „Es geht um die Zukunft des Kreises, da müssen wir alle anpacken.“ Grundsätzlich erwartet die Christdemokratin, dass der Kreistag seinen „sehr sachbezogenen Umgang mit den Themen“ auch in den nächsten fünf Jahren fortsetzt. Wechselnde Mehrheiten habe es schon im vergangenen Kreistag gegeben, das habe da auch funktioniert. Randt: „Es war manchmal ein bisschen anstrengend, aber es war die Mühe wert!“

„Ich rechne nicht mit großen Veränderungen“, sagt auch Tobias Handtke. Eine klare Lagerbildung erwartet der Sozialdemokrat nicht. Zum einen würden das die Ergebnisse kaum hergeben. Außerdem würde er es ohnehin bevorzugen, weiter mit wechselnden Mehrheiten sach-orientierte Beschlüsse zu fassen.

Offen und sachbezogen wird auch im künftigen Kreistag für jedes einzelne Projekt um Mehrheiten gerungen werden – so die Vision von Handtke, der von sich selbst sagt, kein Freund von Gruppenbildungen zu sein.  Handtke: „Es ist völlig normal auf kommunaler Ebene, dass wir als SPD manchmal eher mit der CDU und manchmal eher mit den Grünen übereinstimmen“, sagt er.

Einzige Einschränkung: „Beim Haushalt braucht es eine verlässliche Linie.“ Aber das habe der Kreistag auch in den vergangenen fünf Jahren gut hinbekommen. Dies sei jedoch nur seine persönliche Meinung. „Über den Kurs werden die Fraktionen nach der Konstituierung des Kreistages entscheiden“, sagt er im WA-Gespräch. Der bisherige Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion wird nach seiner Wahl zum hauptamtlichen Bürgermeister der Gemeinde Neu Wulmstorf im neuen Kreistag nicht mehr für den Posten zur Verfügung stehen – wer die SPD-Fraktion künftig leiten wird, stehe noch nicht fest.
Grüne sehen sich als Wahlsieger
Große Freude bei den Grünen, den Siegern der Kreistagswahl. „Wir haben 5,5 Prozentpunkte gewonnen und sind künftig mit zwölf statt neun Mitgliedern im Kreistag vertreten“, frohlockt die Fraktionsvorsitzende Ruth Alpers. „Sieben Frauen, fünf Männer, eine gute Mischung aus neuen und erfahrenen Leuten.“ Dermaßen gestärkt aus der Wahl hervorgegangen, gibt sich die Grünen-Chefin kampfeslustig. „Wir wollen versuchen, für unsere Ziele Mehrheiten zu finden“, kündigt Ruth Alpers an.

Dass dies in der gegebenen Konstellation grundsätzlich möglich sei, sieht sie positiv. In der Sache um wechselnde Mehrheiten zu ringen, sei erstrebenswert. Aber die Vergangenheit habe sie Skepsis gelehrt: „Auf Kreisebene hat es immer viel Einigkeit zwischen CDU und SPD gegeben“, so Ruth Alpers. Ob das gestärkte Mandat der Grünen dafür sorgen könne, dass es künftig öfter gelingt, grüne Positionen auch durchzusetzen, müsse man abwarten.

Abzuwarten bleibt auch, wie sich die Fraktionen künftig personell aufstellen, wer bereit ist Verantwortung zu übernehmen. Denn letztlich spielt oft auch die Chemie zwischen den politisch handelnden Personen eine Rolle – und dieser Kreis von Leuten wird sich verändern: 30 der künftig 64 Mitglieder sind neu im Kreistag. Landrat Rainer Rempe freut sich jedenfalls auf die Zusammenarbeit mit dem künftigen Kreistag. „Ich bin sicher, dass wir uns, wie in der Vergangenheit auch, konstruktiv und sachbezogen für die Zukunft des Landkreis Harburg einsetzen werden.“

Von Rainer Krey