Die Zahl der wartungsarmen E-Autos nimmt ständig zu, beim klassischen Werkstatt-Geschäft gibt es lange Lieferzeiten für die Ersatzteile: Der Obermeister der Kfz-Innung im Kreis Harburg sagt seiner Branche einen dramatischen Wandel voraus.
Winsen. Monate langes Warten auf Neufahrzeuge, immer mehr wartungsarme Elektroautos, dazu neue Richtlinien bei der Abgas-Sonderuntersuchung (AU) – der Kfz-Markt und mit ihm die Werkstätten in der Region stehen vor einem dramatischen Wandel. „In den nächsten zehn Jahren werden wir beispiellose Umbrüche in unserer Branche erleben“, sagt Joachim Czychy, Obermeister der Kfz-Innung im Landkreis Harburg. Manche würden die Veränderungen früher, andere später spüren. „Aber jeder wird in absehbarer Zeit sein Geschäftsfeld hinterfragen müssen.“
Jahrzehntelang waren die Werkstätten gut ausgelastet mit Reparaturen und Servicediensten. „Viele haben damals aus Kapazitätsgründen etwa das Reifen- und das Scheibengeschäft abgegeben“, schildert Czychy. In die Marktlücke stießen Betriebe, die sich auf diese Nischen spezialisierten und entsprechend offensiv dafür werben. Carglass oder Premio-Reifen sind da nur zwei Beispiele.
Auch die freien Werkstätten trifft es
Dann kamen immer mehr Elektroautos auf den Markt, die Branche reagierte mit entsprechend veränderten Ausbildungsinhalten etwa für Kfz-Mechatroniker. „In den Markenwerkstätten ist dieses Thema längst angekommen, denn dort werden auch viele jüngere Fahrzeuge gewartet“, weiß der Obermeister. Die freien Werkstätten, zu denen im Schnitt mehr ältere Autos gebracht werden, seien davon noch nicht so betroffen. „Aber irgendwann in absehbarer Zeit wird jeder damit zu tun haben“, ist sich der Neu Wulmstorfer sicher.
Weil die Elektroautos sehr wartungsarm seien und das Auftragsvolumen entsprechend abnehmen wird, würden viele Betriebe nicht herumkommen, sich wieder neue (alte) Geschäftsfelder zu erschließen, Stichwort Scheiben und Reifen. „Das sind zwar ganz ursprüngliche Bereiche des Kfz-Gewerbes, aber man hat das Feld jetzt anderen überlassen. Da wird es schwer, diese Angebote wieder ins Haus zu holen“, weiß Czychy.
Dazu kommt, dass die Gemengelage auf dem Markt insgesamt völlig unübersichtlich ist. Durch die Halbleiterkrise stockt der Nachschub an Neuwagen und damit auch an jungen Jahreswagen. „Mit Vorführwagen müssen wir längst haushalten und auch beim Rückfluss von EU-Fahrzeugen tut sich im Moment gar nichts, der Markt ist leergefegt“, schildert der Obermeister. Dazu kämen Hiobsbotschaften aus den Metall verarbeitenden Betrieben, die Ersatzteilbeschaffung werde wegen Materialmangels auch immer schwieriger… Sich vor dem Hintergrund dieser komplizierten Situation perspektivisch zu orientieren, sei eine große Herausforderung.
„Viele werden spitz rechnen müssen“
Doch die Krise auf dem Fahrzeugmarkt ist nur ein Thema in der Branche. Dazu kommen neue Richtlinien des Bundes bei der Abgasuntersuchung. Der Gesetzgeber will die Qualität hoheitlicher Prüfungen verbessern und hat strenge Maßstäbe an externe Betriebe angelegt, die diesen Service anbieten. „Es darf nur noch in entsprechend zertifizierten Betrieben geprüft werden“, sagt der Obermeister. Es habe entsprechende Schulungen gegeben, die Umsetzung sei nahezu abgeschlossen.
Und dann ist da noch das Stichwort Gewährleistungsrecht. Tritt bei einem Gebrauchtwagenkauf innerhalb eines halben Jahres ein Mangel auf, muss der Betrieb diesen beheben. Diese Frist wird zum Jahreswechsel auf ein Jahr verlängert. „Da wird mancher noch mit spitzem Stift nachrechnen müssen“, prognostiziert Czychy zusätzliche Kosten.
Viel Gesprächsstoff also für die Innungsversammlung am Mittwoch, 3. November, um 18.30 Uhr im Hofcafé Löscher am Hoopter Elbdeich.
Von Thomas Mitzlaff
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