Mit großer Skepsis erwarten Medizin und Pflege den Start der Impfpflicht für ihr Personal. Die Mitarbeiter, die man so verliere, könne man nicht woanders zurückgewinnen, ist die Befürchtung.
Landkreis. Der 15. März 2022, ein Dienstag, wird für den Teil einer ganzen Berufsgruppe eine einschneidende Veränderung bringen. Wie groß die Folgen für manche Arbeitnehmer letztendlich werden, kann nicht vorausgesagt werden. Im schlimmsten Fall werden Menschen aus dem medizinischen und pflegerischen Bereich ihrem Beruf in Deutschland nicht mehr nachgehen können. An dem Tag wird die bundesweite Impfpflicht für das angesprochene Personal in Kraft treten. Bundestag und Bundesrat hatten das selektive Gebot zur Immunisierung am 10. Dezember beschlossen.
Schon jetzt massiv belastet
„Wir sehen große Probleme in der Aufrechterhaltung unseres Betriebs, der bereits durch Krankheit und Isolationsauflagen massiv belastet ist. Schon jetzt können wir wegen Personalmangels nicht alle ,aufgestellten‘ Betten auch betreiben“, erklärt Dr. Christian Pott für die Krankenhäuser in Winsen und Buchholz und spielt damit auf den möglichen Ausfall ungeimpfter Mitarbeiter an. Der Ärztliche Direktor gibt dabei an, dass zwischen 90 und 95 Prozent der Belegschaft in beiden Liegenschaften doppelt oder dreifach geimpft seien. Und was passiert mit den Übrigen? „Medizinische Angestellte, die ihren Impf- oder Genesenenstatus nicht nachweisen können, werden wir gesetzeskonform dem Gesundheitsamt zu einer Einzelfallprüfung und -entscheidung melden“, so Dr. Pott. Das Krankenhaus sei darauf bedacht, die Quote weiter zu erhöhen und werbe regelmäßig in Rundschreiben für die Vakzine und stelle dabei Informationen bereit. „Wir sprechen nicht geimpfte medizinische Angestellte, die wir in der Regel ja kennen, gezielt persönlich an. Aus unserer Sicht: Wir versuchen alles!“ Das sei vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels besonders wichtig, denn der Arbeitsmarkt gebe weder Pflegekräfte noch Ärztinnen und Ärzte oder medizinische Fachangestellte her. „Ein Austausch wird nicht gelingen“, macht der Mediziner deutlich.
Leute nicht zu ersetzen
Diese Not ist Jörg Zeddies ebenfalls bekannt. „Bei uns sind circa zehn Prozent der Mitarbeiter nicht geimpft“, sagt der Heimleiter der Seniorenwohnanlage Haus Birke in Vierhöfen. Der Betrieb kläre die Angestellten über die bevorstehende Rechtslage auf – allerdings nicht medizinisch, dafür fehle die Expertise. Eine sehr tüchtige Nachtwache sei dem Haus bereits verloren gegangen, bedauert Zeddies. „Leute sind nicht zu ersetzen, weder in der Küche oder Reinigung noch in der Pflege.“ Am Ende könne eine aktuell schon defizitär aufgestellte Branche komplett zusammenbrechen, warnt der Verantwortliche.
Grundsätzlich hält der Heimleiter das Gesetz für „mit der heißen Nadel gestrickt“. „Die betroffenen Mitarbeiter werden rechtzeitig an das Gesundheitsamt gemeldet und bis zur Rückmeldung weiter eingesetzt.“ Es sei doch auch deren freie Entscheidung. „Ich bin gegen diese Impfpflicht, weil sie uns sehr schadet“, sagt Jörg Zeddies.
Schlechterstellung und Diskriminierung
Auch in den Krankenhäusern ist man nicht glücklich mit dem Gesetz, wenn dort auch anders argumentiert wird. Dr. Christian Pott meint: „Die einrichtungsbezogene Impfpflicht stellt unseres Erachtens eine unerwünschte Zuspitzung und auch Schlechterstellung und Diskriminierung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar, die während der gesamten Pandemie hoch belastet sind und für alle anderen eine äußerst wichtige Arbeit machen.“ Anders sei das mit einer allgemeinen Impfpflicht, informiert der Arzt: „Die würde das gesundheitliche Ziel der Beendigung der Pandemie noch besser erfüllen.“
Von Andreas Urhahn
Hintergrund
Die Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal
Bundestag und und Bundesrat haben am 10. Dezember eine Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal beschlossen. Diese tritt am Dienstag, 15. März, in Kraft. Einrichtungen wie Krankenhäuser, Arztpraxen oder Pflegeheime sind dann verpflichtet, ihre ungeimpften Mitarbeiter an das Gesundheitsamt zu melden. Diese Verpflichtung besteht fortlaufend, wenn erbrachte Nachweise zur Immunisierung oder Genesung ihre Gültigkeit, beispielsweise durch Ablauf, verlieren. Das Gesundheitsamt überprüft die Fälle und bestimmt, ob die Angestellten weiter eingesetzt werden dürfen. Das könnte der Fall sein, wenn sich jemand aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen kann.