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Geht es für den Heide-Express zurück auf die Schiene? Zumindest in den Samtgemeinden Elbmarsch und Salzhausen ist man an einer Reaktivierung der OHE-Strecken interessiert. (Foto: bjh)

Neue Chance für den Bummelzug

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Reaktivierung der OHE-Strecken: Winsen winkt ab, drum herum ist man interessiert.

Winsen. Wer „Sinon“ googelt, der findet heraus, dass es sich dabei um den Gefährten eines gewissen Odysseus handelt, aber auch, dass es ein Charakter aus dem Anime „Sword Art Online“ sein kann. Für das Winsener Kreisgebiet aber wirklich interessant ist die SInON, die Schieneninfrastruktur Ost-Niedersachsen GmbH. Dies ist eine neue Gesellschaft des Landes Niedersachsen. Niedersachsen hat damit zum 1. Januar dieses Jahres das komplette Schienennetz der Osthannoverschen Eisenbahnen AG (OHE) übernommen und macht damit ein Angebot: Die wirtschaftliche Reaktivierung des Personennahverkehrs auf der Schiene ist in diesem Netz wieder möglich.

Durch das Kreisgebiet führen zwei Strecken der OHE. Vom Kleinbahnhof Winsen aus könnte man etwa in den Bispinger Ortsteil Hützel fahren. Knapp 40 Kilometer lang ist die Strecke, die in Richtung Süden unter anderem die Stationen Wulfsen, Garlstorf und Salzhausen erreicht. Ursprünglich gehören 16 Stationen zur eingleisigen Strecke. Im September 1970 wurde der planmäßige Personenverkehr eingestellt. Hier und da gibt es heute noch Nostalgiefahrten für Eisenbahnfreunde.

Infrastruktur ist intakt, Schienenbusse sind leise

„Die Infrastruktur aber ist nach wie vor intakt“, sagt Sebastian Schülke im WA-Gespräch. Er ist interimistisch Geschäftsführer der SInON und der Betriebsleiter Infrastruktur. Gerade die Verbindung zwischen Winsen und Hützel findet er spannend: Eine Strecke, die direkt ins Herz des Heide-Tourismus nach Bispingen führe, so Schülke.

Auch die modernen Schienenbusse würden keinen besonderen Lärm verursachen, zudem könnten für die Ertüchtigung der OHE-Strecken auch Bundesfördermittel eingeworben werden. Klar ist, dass die Wirtschaftlichkeit gegeben sein muss, was bei einem lokalen und eingleisigen Betrieb sicher eine Hürde darstellt. Allerdings werde gerade der bisherige Nutzen-Kosten-Index (NKI) überarbeitet, berichtet der SInON-Chef, damit regionale Strecken eher eine Wirtschaftlichkeit erreichen können.

Reaktivierung: Salzhausen will intensiv erörtern

In der Samtgemeinde Salzhausen läuft man bei Bürgermeister Wolfgang Krause offene Türen ein. „Eine Reaktivierung des Personennahverkehrs muss man intensiv erörtern“, sagt Krause. Der Blick müsse dabei insgesamt auf den ÖPNV gehen, aber grundsätzlich sei jede Verbesserung des Angebotes zu begrüßen. In der Wohnbebauung an den Gleisen sehe er keine grundlegenden Probleme, und dank moderner Technik verkehrten die Schienenbusse heute leise. Ursprünglich sei die Strecke für 30 Züge pro Tag zugelassen worden, heute fahre vielleicht ein Zug pro Woche über die OHE-Gleise.

Kathrin Bockey, seit November Bürgermeisterin der Samtgemeinde Elbmarsch, ist auch offen für eine Reaktivierung der Strecke Winsen-Marschacht. „Jede Verbesserung des ÖPNV ist aus meiner Sicht sinnvoll“, sagt sie im WA-Gespräch. Gerade für die Binnenmarsch könne man so eine Netzanbindung in Richtung Hamburg schaffen.

Täglich Güterzüge zwischen Winsen und Marschacht

Jede Verbindung im ÖPNV der Elbmarsch habe aus ihrer Sicht Potenzial, eine Reaktivierung des Personennahverkehrs auf der Schiene in der Elbmarsch sei „total interessant“. Probleme sieht Bockey bei der Eingleisigkeit der Strecke, sie kann sich aber auch einen langfristigen Umbau vorstellen. „Grundsätzlich sind wir froh, dass das Elb-Mobil weiterhin fährt und eine gute Anbindung an Winsen bietet“, sagt die Samtgemeindebürgermeisterin. Gleichwohl sei dieses Projekt nach wie vor befristet.
Die OHE-Infrastruktur zwischen Winsen und Marschacht ist ebenfalls intakt und wird täglich mit je drei Zügen für den Güterverkehr genutzt. In Maschen werden Züge zusammengestellt, die die Kali- und Stahlwerke in Tönnhausen und die Chemische Fabrik Bruno Bock in Marschacht beliefern. Knapp 18 Kilometer lang ist die Strecke, die über Oldershausen und Eichholz nach Marschacht führt und ursprünglich zwölf Stationen bedient hat.

Stadt Winsen bleibt skeptisch

Die Stadt Winsen hatte bereits 2009 und 2013 ablehnend auf eine mögliche Reaktivierung reagiert. Bürgermeister André Wiese schrieb 2013 „schwergewichtige Einwände“ in eine Beschlussvorlage für den Stadtrat. Die hießen da mangelnde Streckensicherung, unmittelbare Nähe zur Wohnbebauung, fehlender Lärm- und Erschütterungsschutz, unverhältnismäßiger Ertüchtigungsaufwand und ungenügende Berücksichtigung städtebaulicher Belange.

Die aktuelle Haltung kann man wohl als neutral bis skeptisch bezeichnen. Konkrete Schritte seien nicht bekannt, wenn da etwas komme, werde man das aufmerksam und kritisch verfolgen. Letztlich entscheide die Politik, heißt im Statement der Stadt. Das Inte­resse ist begrenzt, darf man daraus lesen.
Auch der Landkreis Harburg macht es in seinem Statement zur Reaktivierung der OHE-Strecken kurz. Im Winsener Kreishaus gebe es dazu derzeit keine Aktivitäten. Man gehe davon aus, dass etwaige Planungen und Vorhaben von der Landesregierung initiiert werden würden.

Lüneburg kann schon ein Gutachten vorlegen

Dass das auch anders geht, beweist der Landkreis Lüneburg. Dort hat Erster Kreisrat Jürgen Krumböhmer dem Kreistag Ende vergangener Woche berichtet, dass ein erster Entwurf eines Gutachtens zur OHE-Strecken-Reaktivierung vorliege. Dieser werde zunächst vom Landkreis überprüft und dann in die Politik gegeben. Im Gutachten enthalten ist auch eine Berechnung nach dem bisherigen NKI. Dabei ist ab einem Wert von 1,0 eine Wirtschaftlichkeit gegeben. Der Streckenabschnitt Lüneburg-Amelinghausen erreicht danach einen Wert von 8,0, die Gesamtstrecke Lüneburg-Soltau liegt bei 2,8. Vorerst durchgefallen ist die Verbindung Lüneburg-Bleckede, die nur auf einen Wert von 0,6 kommt. Da aber setze man auf die neue Bewertungsmethodik, die ab April angewendet werde, so Krumböhmer.

Von Björn Hansen

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