Es war eine Lappalie, doch am Ende sahen sich die Beteiligten vor Gericht wieder: Ein Auszubildender aus dem Kreis Lüneburg, der bei einem Discounter in Hanstedt arbeitet, und ein Maurermeister, der dort als Kunde war. Der Kauf einer Vanilletasche war eskaliert. Der junge Mann rastete aus, jetzt musste er sich dafür verantworten.
Winsen/Lüneburg. Wenn ein Maurermeister bei einem Discounter eine Vanilletasche bezahlen will, rechnet er nicht damit, dass ein schwer gestresster Kassierer ihn kurz darauf körperlich angehen wird. Passiert ist das allerdings. In einem Markt in Hanstedt. Im vergangenen Oktober. Ein 23 Jahre alter Mann aus dem Landkreis Lüneburg war deswegen jetzt vor dem Amtsgericht Winsen wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt worden. Und so viel sei vorweggenommen: Er war dabei nicht in allerbester Verfassung.
Der Vorfall als solcher ist unstrittig. Der Angeklagte und seine Verteidigung nehmen Stellung: Ihr Mandant wisse, dass er sich falsch verhalten habe. Der 23-Jährige saß morgens gegen 9 Uhr an der Kasse, der Kunde, eben jener Mauermeister, wollte eine Vanilletasche aus dem Sonderangebot kaufen. Der Kassierer gab jedoch die eine Apfeltasche ein, die nicht vergünstigt war, und geriet beim Versuch der Korrektur mehr und mehr ins Schleudern. Die Kasse wollte nicht, der Kunde wurde ungeduldig.
Griff an den Hals, Schlag ins Gesicht
Was das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, war nicht mehr zu klären. Zumindest reichte es dem 23-Jährigen. Er stieß die Kabinentür seines Kassenstandes auf und soll dem 28 Jahre alten Kunden an den Hals gegriffen und ihn mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Der stellvertretende Filialleiter, ein 21 Jahre alter Lüneburger, ging dazwischen. Der Kunde rief die Polizei.
Der Maurermeister schildert im Prozess nun den Vorfall aus seiner Sicht: Trotz mehrerer Versuche beim Einscannen sei auf der Anzeige nicht der korrekte Preis erschienen, darauf habe er den Kassierer hingewiesen. Der sei dann „ausgeflippt“, habe ihn am Hals gepackt und die Faust aufs Auge gedrückt. Die Folge seien Schmerzen, eine Jochbeinprellung und eine fünftägige Krankschreibung gewesen.
Angeklagter beschreibt ruppige Ausbildung
Vor allem aber sei er perplex gewesen, dass so etwas passiere. Er habe keinen Spruch gebracht und sei auch bei seiner Körpersprache entspannt geblieben. Der Angeklagte hatte zuvor angegeben, der Kunde habe sich über ihn lustig gemacht. Letztlich kommt es im Gerichtssaal zu einer etwas ungelenken Entschuldigung, die der Maurermeister brummend akzeptiert.
Wie aber konnte der junge Mann derart reagieren? Ein Erklärungsversuch: Er absolvierte bei dem Discounter seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Immer erst frühmorgens habe er erfahren, in welcher Filiale er an dem Tag arbeiten müsse. Er sei als Springer eingesetzt worden. Seine weiteste Anreise in eine Filiale sei 73 Kilometer lang gewesen, tief aus dem Landkreis Lüneburg bis nach Stelle. Die Ausbildung sei stressig gewesen, er habe sich überfordert gefühlt. Sein Urlaubsantrag sei trotzdem immer wieder abgelehnt worden, die psychische Belastung immer weiter gestiegen. An diesem einen Morgen im vergangenen Oktober war dann die Zündschnur offenbar heruntergebrannt.
Am Ende geht es um einige Hundert Euro
Der Angeklagte macht vor Gericht einen zerknirschten Eindruck. Die Ausbildung habe er mittlerweile abgebrochen. Seine Verteidigerin führt ins Feld, dass der einzige Zeuge, der stellvertretende Filialleiter, keinen Faustschlag gesehen habe, es damit auch keine gefährliche Körperverletzung sei. Zudem sei es das erste Mal, dass ihr Mandant überhaupt mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei. Sie schlägt eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage vor. Vielleicht 300 Euro als Entschädigung direkt an den Maurermeister?
Die Staatsanwaltschaft hält eher 500 Euro für angemessen. Der Richter hatte eigentlich kaum eine Chance auf eine Einstellung gesehen, geht aber im Urteil mit. Das Verfahren ist eingestellt. Der Angeklagte fragt noch, ob er die Geldstrafe sofort und in voller Höhe bezahlen könne? Das wiederum freut den Richter.
Von Björn Hansen
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