You are currently viewing Das Gold für Winsen braucht noch Politur
Um mehr Besucher in die Stadt zu locken könnte unter anderem der Rosenmarkt auf den Schlossplatz stattfinden. (Foto: bjh)

Das Gold für Winsen braucht noch Politur

Anzeige

Warum Winsen auf einmal die „Erfolgreichste Handelsstadt“ der Republik geworden ist – Luhestadt punktet nicht nur mit Lebensqualität.

Winsen. Wenn Winsen in einem Ranking an der Spitze liegt, und zwar vor Eschborn und Frankenthal, dann zieht der Einheimische wahrscheinlich nicht einmal eine Augenbraue hoch. Wenn in diesem Ranking Winsen allerdings als „Erfolgreichste Handelsstadt Deutschlands“ ausgezeichnet wird, dann ist die Überraschung groß. Zu diesem Ergebnis kommt die Zeitschrift „Kommunal“, die eine Auflage von 100.000 Exemplaren hat und zehn Mal jährlich erscheint, und zwar „persönlich adressiert an alle Entscheidungsträger in den 11.005 deutschen Städten und Gemeinden“, wie es in den Mediadaten heißt. „Kommunal“ ist Kooperationspartner des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, es gibt die Zeitschrift seit 2015.

„Kommunal“ blickt vor allem auf das Potential

„Kommunal“ nennt in ihrer Studie Winsen eine „absolute Vorzeigestadt“. Aufgenommen in das Ranking wurden Städte mit mindestens 20.000 Einwohnern, maximal jedoch 75.000 Einwohnern. Rund 600 Städte hat „Kommunal“ sich angesehen. Zu den erhobenen Handelsindikatoren gehören unter anderem der Beschäftigtenanteil im Handel oder auch die Bruttowertschöpfung im Dienstleistungsbereich. Zu einem Drittel wurden zudem Daten zum Thema Lebensqualität bewertet, zu denen der Arbeitslosenanteil, die Zahl der Einfamilienhäuser oder auch die Steuereinnahmen der Stadt zählen. Winsen als Kreisstadt des prosperierenden Landkreises Harburg hat hier einiges zu bieten.

Die Zeitschrift „Kommunal“ geht bei guten Werten in diesen Kategorien von einer belebten und erfolgreichen Innenstadt aus. Diese Schablone kann man heute noch nicht wirklich auf die Winsener City legen, aber die Stadtverwaltung sei auf dem Weg dahin, findet „Kommunal“. Und maßgeblich für das Ranking sei, dass Innenstädte die Bereitschaft zur Weiterentwicklung zeigten, um den Bürgern attraktive Lebensräume zu bieten. Winsen sei gerade in dem Punkt besonders positiv aufgefallen, heißt es in der Begründung für die Goldmedaille.

Winsen baut sich die City der Zukunft

Ausschlaggebend dafür sind das Bauprojekt „Winsen 2030“, das momentan in der Rathausstraße schon erste sichtbare Fortschritte macht. Zudem habe die Stadt das Sofortprogramm „Perspektive Innenstadt“ bereits aufgelegt, bevor das Land Niedersachsen ein Hilfsprogramm für die Innenstädte angekündigt hatte. 1,2 Millionen Euro werden hier investiert, überwiegend aus Fördermitteln.

Im Mittelpunkt des Aktionsplans steht die Vermeidung von Leerständen. Positive Reaktionen gab es jetzt etwa um die Eröffnung des Concept-Stores Tüdelband am vergangenen Wochenende in Winsen. Für die leerstehende Gewerbeimmobilie an der Marktstraße hatte die Stadt zuvor den Wettbewerb „Innovative Ladenkonzepte“ ausgerufen und um Bewerbungen gebeten. Das Tüdelband gewann, insgesamt hatte es 13 Bewerber gegeben. Die Stadt unterstützt das Vorhaben mit 2000 Euro und übernimmt ein Jahr lang die Mietkosten, die Betreiberin trägt nur die Nebenkosten.

Wie ernst der Stadt die Vermeidung von Leerständen ist, zeigt ein aktuelles Beispiel. Astrid Hilsen hat vor knapp drei Wochen ihr Geschäft Souk 26 im ehemaligen Bastelladen an der Wallstraße in Winsen eröffnet. Sie lobt dabei das Engagement der Wirtschaftsförderung der Stadt. „Das war eine ganz tolle Betreuung und Unterstützung“, sagt die Lüneburgerin. Dabei habe man ihr im Bekanntenkreis eher davon abgeraten, mit dem Geschäft nach Winsen zu gehen. Der Ruf sei einfach nicht so gut.

Keine Reaktion auf den Luhe-Park-Schock

Besonders als 2003 die Eröffnung des Luhe-Parks mit dem Famila-Warenhaus bei den Kaufleuten in der City für Ärger und Frust gesorgt hatte, war Winsen als Einkaufsstadt auf verlorenem Posten. Das Wehklagen wurde zum Grundton, obwohl die Innenstadt mit ihren historischen Straßenzügen, mit Marstall und Schloss als Panorama, zumindest für Außenstehende ihren Charme nicht verloren hatte.

Die damals neue City-Marketing GmbH als Zusammenschluss aus Stadt und Kaufleuten sucht bis heute ihre eigentliche Bestimmung und tritt öffentlich weiterhin kaum in Erscheinung. Mittlerweile werden immerhin die verkaufsoffenen Sonntage liebevoller organisiert. Vergangenes Wochenende war da ein wirklich gelungenes Beispiel. Insgesamt jedoch herrschte über Jahre Ratlosigkeit, wie man wieder Pep in die City bringen könne.

Die Trendwende hat auf sich warten lassen, aber mit Blick auf die Auszeichnung „Erfolgreichste Handelsstadt Deutschlands“ muss man konstatieren, dass es die Trendwende gibt. Vor allem weil die Stadtverwaltung aktiv geworden ist und die Regie in Sachen Innenstadt übernommen hat. Einer, der aus den Reihen der Kaufmannschaft vorantreibt, ist Markus Johannsen. Er ist Geschäftsführer des Modehauses Düsenberg & Harms und Aufsichtsratsmitglied der City-Marketing GmbH. Die Auszeichnung sieht er als Anerkennung.

Zum Wandel der City gibt es keine Alternative

„Ich freue mich, dass insbesondere die Entwicklung und die positive Perspektive in diesem Ranking hervorgehoben werden“, so Johannsen. Winsen habe in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es durch seine exzellente Lage nicht nur Schlafstadt, sondern vielmehr Arbeits- und Lebensstadt sei. Der Handel werde in den nächsten Jahren einen fundamentalen Wandel erleben und die Entwicklung der Innenstädte mitgestalten, um den Kunden stets ein schönes Freizeiterlebnis zu ermöglichen, blickt Johannsen nach vorne.

Die Zeitschrift „Kommunal“ hebt hervor, wie wichtig die Verbindung zwischen Handel, Gastronomie und Dienstleistungsbereichen sei. Neben der Grund- und Nahversorgung seien auch die Freizeitgestaltung und die Gesundheitserhaltung wichtige Funktionen einer zukunftsfähigen Innenstadt. Und der Wandel in den Innenstädten läuft spätestens seit der Corona-Pandemie und dem weiteren Erstarken des Online-Handels. „Wir rücken den Fokus auf eine Stärkung und Belebung der Innenstadt“, unterstreicht Bürgermeister André Wiese.

Von Björn Hansen