Leasing-Betrug vor dem Amtsgericht Winsen: Zweiter Angeklagter darf noch nachlegen.
Winsen. Vor Gericht gilt für Angeklagte, was Rolf Fuhlendorf, einst Richter am Amtsgericht Winsen, Justitia hab‘ ihn selig, immer gern als Bonmot zu Beginn einer Verhandlung sagte: „Sie dürfen lügen, dass sich die Balken biegen.“ In der Fortsetzung des Prozesses wegen Leasingbetrugs nahm sich dies einer der beiden Angeklagten zu Herzen.
Es geht um Betrug. Beide Angeklagten, ein 42 Jahre alter Tischler aus Seevetal und 48 Jahre alter Versicherungs-Fachwirt aus Hamburg, müssen sich verantworten. Sie sollen mit Hilfe einer sogenannten Mantel-GmbH bei verschiedenen Leasinggebern Einkäufe getätigt haben und das Geld schuldig geblieben sein. Der Seevetaler gab vor Gericht den naiven Strohmann, der Hamburger glaubte an die verabredete Geschichte von der eigenen Firma, die umständehalber gänzlich befreit von jedweder Geschäftstätigkeit bleiben musste.
Das Mastermind hinter dem Leasing-Betrug
In Winsen geht es nur um einen Betrug. Möbel für 13 000 Euro wurden im Namen der GmbH bestellt. Ein, zwei Raten flossen wohl, dann wurden die Zahlungen eingestellt. In Hamburg läuft ein Verfahren gegen einen 44 Jahre alten Hauptverdächtigen, quasi das Mastermind dieser Betrügereien. Eine simple Internet-Recherche zeigt schon auf, dass der Mann seit knapp 20 Jahren die gleiche Masche durchzieht.
Er übernimmt Firmen-Mäntel, auf deren Rechnungen dann Geschäfte abgewickelt werden, die nicht bedient werden sollen. Das Geld geht dann über ein Karussell auf verschiedene Konten, bis schlussendlich eingesammelt wird. Die Firmen sind Mittel zum Zweck mit einem Strohmann als Geschäftsführer. Das Internet zeigt auch ein Frühwerk dieses Mannes: einen Betrug bei Ebay samt enttäuschter Käufer-Kritik. Zwischen Hildesheim und Norderstedt ist diese Masche bisher betrieben worden.
Vor dem Amtsgericht kann sich zumindest der 42-Jährige aus dem Verfahren winden. Er gibt den naiven Ahnungslosen und fasst seinen Beitrag in einem Satz zusammen: Er wisse nichts, war dabei und habe nicht widersprochen. Ihn hatte man zum Geschäftsführer gemacht, der unterschrieb, was man ihm hinhielt. An seiner Seite ist wieder der bekannte Hamburger Strafverteidiger Dr. Gerhard Strate.
Einstellung des Verfahrens kostet Tischler 9000 Euro
Der 72-Jährige fühlt vor, ob eine Einstellung gegen Geldauflage in Frage komme? Die Staatsanwaltschaft ist nicht begeistert, würde bei 10 000 Euro für die Landeskasse aber zustimmen. Nach kurzer Beratung bietet Strate 8000 Euro, am Ende sind es 9000 Euro. Der Angeklagte, der Frau und Kind mit im Gericht hatte, darf gehen. Die Einstellung bleibt jedoch vorläufig, bis die Summe gezahlt ist.
Anders agiert der Versicherungs-Fachwirt. Er hat auf jede Frage, die Richterin oder Staatsanwalt stellen, eine Antwort. Den Sachverhalt, dass man für die eigene Firma Büromöbel bestellt hatte, ohne ein Büro zu haben, erklärt er quasi im Multiple-Choice-Verfahren: a) Man habe kein Büro gefunden, b) man habe vorerst gar kein Büro gebraucht oder c) man habe die Möbel für Co-Working-Spaces erworben.
Und so geht es weiter mit den Fragen zum Sitz einer weiteren GmbH in Wedel, die dort niemand kannte, und zum Zahlungs-Ping-Pong zwischen den verschiedenen Gesellschaften, die offensichtlich ganz ohne Haftung geführt wurden. Rund 130 000 Euro soll der 48-Jährige so eingestrichen haben. Irgendwann wird er einsilbig, dann will er mit Verweis auf gegen ihn bereits laufende Verfahren nichts mehr sagen.
Wurden die Möbel tatsächlich geliefert?
Vom Gericht ergeht ein rechtlicher Hinweis: Es stehe im Raum, den Tatvorwurf des Betrugs auf gewerbsmäßigen Betrug und damit auf ein schärferes Strafmaß auszuweiten. Gleichzeitig verweist die Richterin darauf, dass hier nur ein Fall verhandelt werde, nämlich der Leasing-Betrug am Möbelhändler. Ein Strohhalm für den verbliebenen Angeklagten. Er hatte berichtet, dass man die Möbel am Ende für etwa 4000 Euro verkauft habe.
Die Richterin wertet dies als Indiz dafür, dass es die Möbel tatsächlich gegeben habe, was wiederum den Tatvorwurf schmälern würde. Eine Wendung, die den Staatsanwalt unangenehm überrascht. Er hatte bereits ausgeschlossen, dass dieser Angeklagte eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage bei ihm erreichen könne und war bereit zu plädieren.
Jetzt steht ein dritter Verhandlungstermin in der kommenden Woche an. Bis dahin soll der 48-Jährige dem Gericht eine ladungsfähige Adresse des Käufers der Möbel sowie dazugehörige Unterlagen liefern. Allerdings würde es nicht nur den Staatsanwalt erstaunen, wenn dies gelänge.
Von Björn Hansen