Lüneburg/Neu Darchau. Die anhaltende Trockenheit macht sich auch massiv entlang der Elbe bemerkbar – für Menschen, Tier- und Pflanzenwelt. Vor allem im Osten des Landkreises Lüneburg sind die Deiche von einer zunehmend verdorrenden Grasnarbe gezeichnet, und der Fluss führt stellenweise nur noch ein Drittel der üblichen Wassermenge. Wegen des extremen Niedrigwassers ist die Schifffahrt auf der Elbe weitgehend zum Erliegen gekommen, seit Mitte Mai weichen Binnenschiffer verstärkt auf den Elbe-Seitenkanal aus. Die Deichsicherheit ist derzeit zwar nicht gefährdet, das könnte sich aber bei länger anhaltender Trockenheit ändern.
Die Grasnarbe der Elbdeiche im Landkreis Lüneburg hat sich vielerorts schon gelb und braun verfärbt. In den vorangegangenen extremen Trockenjahren 2018 und 2019 kam es in der Folge auch zu Rissen in den Sicherheitsbauwerken. „Normalerweise schließen sich diese Risse aber zum Herbst hin wieder, wenn mehr Regen fällt“, sagt Ansgar Dettmer, Geschäftsführer des Artlenburger Deichverbands, der für die Unterhaltung der Deiche zuständig ist. Bereits die kurzen Niederschläge Ende vergangener Woche hätten gezeigt, dass schon leichter Regen dazu beiträgt, dass sich die Grasnarbe schnell regeneriert, sagt Thomas Freese, Vorarbeiter beim Deichverband. Allerdings war das bisher nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Zuletzt habe die Trockenheit auch Vorteile gehabt, sagt Dettmer, beispielsweise bei der Beschaffung von Heu für die Schäfereien, die sonst die Deiche beweiden. Der teilweise um die 80 Zentimeter dicke Kleiboden im Deichvorland sei laut Dettmer momentan derart durchgetrocknet, dass der Deichverband zur Mahd mit schwerem Gerät vorfahren konnte, ohne Fahrspuren zu hinterlassen. Im Deichvorland wächst aber mit der zunehmenden Trockenheit auch ein Problem für die Deichsicherheit heran. Vermehrt stirbt in der Hitze Gehölz ab. Dazu Dettmer: „Die Äste sind nicht das Problem, sondern die Baumstämme, die bei einem späteren Hochwasser wie Torpedos gegen die Deichkronen gespült werden könnten.“ Bei Gefahr würde der Deichverband aber Maßnahmen mit der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises abstimmen, heißt es.
Extrem wenig
Wasser im Flussbett
Bei der aktuellen Niedrigwasser-Situation handelt es sich um ein Extremereignis, sagt Jörn Abel vom NLWKN (Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz) in Lüneburg: „Wir haben am Bezugspunkt Neu Darchau vor Tagen einen Pegelstand von 93 Zentimetern gemessen. Das ist der zehntniedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen.“ Zudem betrug die Abflussmenge in der Elbe zu dem Zeitpunkt 280 Kubikmeter pro Sekunde, bei mittlerem Wasserstand sind es sonst mehr als 700 Kubikmeter, also rund zweieinhalb Mal mehr Wasser, das an dieser Stelle durch das Flussbett fließt. Abel: „Das aktuelle Niedrigwasser der Elbe reiht sich ein in mehrere Extremniedrigwasser während der Trockenperioden der vergangenen Jahre.“ Zwar waren die Werte bei Neu Darchau in den Jahren 2018 und 2019 noch rund 30 Zentimeter darunter, für viele Binnenschiffer ist die Elbe aber auch bei den jetzigen, wieder leicht steigenden Werten unbefahrbar.
Die Bremer Reederei B. Dettmer betreibt unter anderem eine Tankschiffflotte, die Tanklager im norddeutschen Raum versorgt, unter anderem das eigene Lager in Magdeburg. Florian Lüdemann, Prokurist der Reederei bei der Niederlassung in Hamburg, verdeutlicht: „Für uns ist die Schiffbarkeit der Elbe derzeit nicht gegeben.“ Zwar fahren die beladenen Tankschiffe aus Kostengründen ohnehin über die Strecke Hamburg-Magdeburg über den Ebe-Seitenkanal, aber die leeren Schiffe nehmen sonst den Rückweg über die Elbe, um mit dem Strom zu fahren, wenn genug Wasser da wäre. In diesem Elbe-Abschnitt pendelte dieser Tage die Fahrrinnentiefe zwischen Dömitz und Lauenburg um den Wert von 60 Zentimetern – viel zu wenig für die Tankschiffe. Zwar kommt es immer wieder vor, dass die Elbe im Sommer für die Binnenschifffahrt zu wenig Wasser führt, „aber es wird immer schwieriger“, sagt Lüdemann. Das bekommt auch der Fährbetrieb „Tanja“ aktuell wieder zu spüren: Wegen des Niedrigwassers kann die Fähre nach einer Reparatur derzeit nicht die Werft verlassen, um an ihren Einsatzort in Neu Darchau zu gelangen (LZ berichtete). Für die Schüler aus Amt Neuhaus, die nach Bleckede und Lüneburg müssen, bedeutet dies, Umwege fahren zu müssen.
Probleme für
die Tierwelt
Schwierig ist die andauernde Trockenheit auch für die Tier- und Pflanzenwelt. Agrarbiologe Dr. Franz Höchtl, stellvertretender Leiter der Biosphärenreservatsverwaltung „Niedersächsische Elbtalaue“ in Hitzacker, sagt: „Natürlich sind die Flussauen auf Wasser angewiesen und damit ist die Trockenheit auch den dortigen Lebensgemeinschaften nicht zuträglich.“ Vor allem Amphibien litten derzeit, weil immer mehr Tümpel und Gewässer trocken fielen. Und damit breche in diesem Bereich auch das Nahrungsangebot für Störche und Reiher ein. Ähnliches gilt für Laichgewässer von Fischen. Höchtl: „In nassen Jahren können sich diese Populationen auch wieder erholen. Aber wenn diese Trockenheit ein Dauerzustand wird, ist mit gravierenden Schäden in den Lebensgemeinschaften zu rechnen.“ Von Dennis Thomas