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Wer ist wem wie nahe gekommen? Darum ging es jetzt vor dem Amtsgericht Winsen. (Symbolfoto: AdobeStock)

Zwei Versionen einer wilden Fahrt

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Es ist Alltag auf deutschen Straßen, dass sich Verkehrsteilnehmer nicht einig sind. Richtig gefährlich werden kann das auf der Autobahn bei höheren Geschwindigkeiten. Ein solcher Fall von der A39 landete jetzt vor Gericht. Doch wer hat eigentlich wen gefährdet?

Winsen. Was genau ist passiert auf der A39? Darum ging es jetzt vor dem Winsener Amtsgericht, wo eine Geschichte in zwei Versionen vorgetragen wurde. Es ging um den Vorwurf der Nötigung und einen Fall zwischen Winsen-West und Maschen. Der Vorgang bis zur Abfahrt in Maschen scheint unstrittig. Angeklagt ist ein 36-Jähriger, der beruflich in der Wohnmobil-Branche tätig ist.

Der Angeklagte soll auf der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit und aufgeblendetem Licht sehr dicht auf das Fahrzeug eines 71-Jährigen aufgefahren sein. „Ich dachte, der kracht mir hinten rein“, berichtete der Senior im Zeugenstand. Er habe dann versucht, auf der rechten Fahrspur eine Lücke zu finden, es seien aber besonders viele Lkw unterwegs gewesen. Zudem habe die Einrichtung einer Baustelle in diesem Bereich für wenig Platz gesorgt.

Zückte der Drängler während der Fahrt sein Handy?

Als die Lücke dann da war, sei der Verfolger rechts rüber gefahren und habe sich neben das Auto des Zeugen gesetzt. Dann habe er ihn und seinen Begleiter mit dem Handy fotografiert oder gefilmt. Danach habe er die rechte Spur zugemacht, um einen Fahrspurwechsel zu verhindern, sagte der 71-Jährige. Das Spiel sei einige Zeit so weiter gegangen, bis der Angeklagte mit seinem Auto dann doch wieder hinter ihnen eingeschert sei, allerdings nur um weiter zu drängeln. Der Angeklagte schildert dagegen eine halbwegs entspannte Fahrt, nur das Kind auf der Rückbank habe etwas gequengelt.

Zum Showdown soll es dann am Ende der Abfahrt in Maschen gekommen sein. Der 71-Jährige erzählte, er habe möglichst spät blinken und abfahren wollen, damit der Verfolger endlich abgeschüttelt werden könne. Gesagt, getan, aber der Angeklagte habe plötzlich beschleunigt, sei kurz vor knapp noch vor sie gekommen. Vor einem Verkehrszeichen habe dieser sein Auto gestoppt und sei ausgestiegen. Der 71-Jährige: „Ich habe mit einigem Abstand hinter ihm angehalten.“

Gab es den Schlag auf die Motorhaube

Der Angeklagte habe dann gestikuliert, er solle das Fenster öffnen, dem sei er nicht nachgekommen. Er habe mit seinem Auto links am Drängler vorbeifahren wollen, was auch geklappt habe, obwohl er die Fahrbahn habe verlassen müssen. Der Angeklagte habe dabei mit der Hand auf die Motorhaube des Autos geschlagen. Direkt an einer Tankstelle habe er angehalten, um den Vorfall der Polizei zu melden. Dann sei er weitergefahren.

Der 36-Jährige dagegen hatte vorher eine Autobahn-Fahrt ohne besondere Vorkommnisse geschildert. Erst als er mit seinem Auto an der Abfahrt Maschen oben am Vorfahrtsschild habe halten müssen, sei ihm der Mercedes hinter ihm aufgefallen, weil der so dicht aufgefahren wäre. So dicht, dass er einen Kontakt vermutete. Deshalb sei er ausgestiegen und habe den Fahrer ansprechen wollen. Diesen Vorgang habe er gefilmt. Der Mercedes-Fahrer habe jedoch zurückgesetzt, sei dann an ihm vorbeigefahren und habe ihn dabei womöglich auch am Bein getroffen.

Beide Duellanten erstatten Anzeige

Richter Dr. Meik Lange schaute sich das Video an. Zu sehen war allerdings nur ein Ausschnitt der Szenerie, da aber wurde es tatsächlich ziemlich eng zwischen Mercedes und Bein. Zu hören war dann noch ein „Unfassbar!“ des Angeklagten. Die beiden Zeugen, der 71-Jährige und sein Begleiter (75), beharrten jedoch darauf, dass der Angeklagte auf die Motorhaube geschlagen habe, was im Video nicht zu sehen war.

Jedenfalls hatte auch der Angeklagte nach dem Vorfall an der Tankstelle in Maschen gehalten und bei der Polizei Anzeige wegen Unfallflucht gegen den 71-Jährigen erstattet. War es also Nötigung oder Unfallflucht?

Eine Frau, die den Vorfall an der Autobahn-Abfahrt beobachtet haben soll, hätte Licht ins Dunkel bringen können. Sie war als Zeugin geladen, hatte aber kurzfristig abgesagt, weil sie die Enkelkinder hüten müsse. Eine Begründung, die das juristische Fachpersonal verblüffte. Richter und Staatsanwalt wollen die Zeugin hören, daher gibt es nun einen Fortsetzungstermin. Für die Zeugin ist es jetzt schon teuer: Das Gericht verhängte ein Ordnungsgeld von 300 Euro wegen des Fernbleibens trotz Ladung und auch die Kosten für den Fortsetzungstermin gehen auf ihr Konto.

Von Björn Hansen

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