Wie die Elbe das Leben in der Winsener Marsch beeinflusst hat, erforscht derzeit Professor Dr. Norbert Fischer. Projektkoordinatorin Dorothea Lepper wird die Erkenntnisse in fünf Museumsinseln in der Leaderregion Achtern-Elbe-Diek erlebbar machen.
Winsen. „Es ist das erste Mal, dass diese Region so grundlegend erforscht wird!“ Man merkt Professor Dr. Rolf Wiese vom Heimat- und Museumverein Winsen an, dass ihm was am neuen Projekt „Ein Fluss erzählt: Lieblingsorte der regionalen Geschichte“ liegt. Nicht nur, weil sein alter Studienkollege Professor Dr. Norbert Fischer maßgeblich beteiligt ist, sondern weil es Museum zu den Menschen bringen will. Im Detail: Die Elbe und die Winsener Marsch werden im Rahmen dieser zweiten Säule der Leaderregion Achtern-Elbe-Diek neu erlebbar.
Stetige Bedrohung formt Menschen
Nach der Umsetzung touristischer Konzepte geht es in dieser zweiten Säule der Leaderregion um die Erforschung der älteren Geschichte, die Erschließung der Gesamtzusammenhänge und die kulturgeschichtlichen Hintergründe.
Ticken womöglich die Menschen in der Winsener Marsch anders angesichts der dauernden Bedrohung durch die Elbe, die zugleich aber auch für den wirtschaftlichen Reichtum der Region sorgte? Haben die früheren Deichbrüche vielleicht sogar dazu beigetragen, dass die Elbmarscher eine besondere Mentalität und größere Hilfsbereitschaft entwickelt haben?
Deich als verbindendes Element der Regionen
Solchen, aber auch historischen Fragen geht der Volkskundler und Kulturanthropologe Fischer nach. Die Geschichte des Deichbaus ist dabei ein Thema. Der Deich ist quasi das verbindende Element der Leaderregion, zu der die fünf Kommunen Bardowick, Elbmarsch, Winsen, Stelle und Seevetal gehören.
Der Deich stellt die technische Grenze zwischen Wasser und Land dar. Erste Deiche entstanden im zwölften Jahrhundert – allerdings nicht als geschlossene Linie: Vielmehr wurden zunächst einzelne Bauernhöfe in sogenannte Polder umdeicht.
„Davor lebten die Menschen mit dem Wasser. Sie kamen mit den winterlichen Überschwemmungen klar“, berichtet Fischer. Die Ernte auf dem fruchtbaren Marschboden war zwar schon früher gut gewesen, mit dem Deich sicherte man sich nun aber neue Möglichkeiten. Plötzlich war eine viel intensivere ganzjährige Bewirtschaftung möglich. Erst später wuchsen die einzelnen Polderdeiche dann zu einer geschlossenen Linie, heute von den drei Deichverbänden Harburg, Neuland und Artlenburg betreut, zusammen.
Inge Meysels irrwitziger Kampf gegen Deicherhöhung
Allerdings wuchs mit den Deichen auch eine Sicherheit im Leben, die trügerisch war. „Bis heute verstehen viele nicht, wie brutal Wasser sein kann“, unterstreicht Fischer mit Blick auf die großen Sturmfluten. Da darf der Seitenhieb auf den „Deich-Krieg“, den die Schauspielerin Inge Meysel Ende der 90er-Jahren anzettelte, natürlich nicht fehlen. Die Mimin zog sogar gegen die Deicherhöhung, die ihr den Elbblick in Bullenhausen verbauen würde, vor Gericht – mit dem Hinweis, sie könne doch schließlich schwimmen.
Konsequenz aus der letzten großen Sturmflut 1962 war der Bau von Sperrwerken an allen Nebenflüssen der Elbe. Schöpfwerke gab es schon viel früher. In Hoopte existierte zunächst schon um 1870 ein damals sehr modernes Dampfschöpfwerk. Umgerüstet wurden die Schöpfwerke später auf Diesel, dann auf Elektrizität.
Fünf Mini-Museen sind in Planung
Wie man solche Erkenntnisse erlebbar machen kann, wissen Fischer, Dorothea Lepper, Projektkoordinatorin und Volkskundlerin, und das Ehepaar Wiese vom Heimat- und Musuemverein Winsen schon genau: Das Wissen soll zu den Menschen in Form von fünf sogenannten Museumsinseln gebracht werden. Gemeint sind damit kleine Infoorte mit Infotafeln und interaktiven Elemente an Punkten, die frequentiert sind wie zum Beispiel am Elberadweg. Dort erfährt man beispielsweise Wissenswertes über die Deichentstehung oder die Geschichten der Werften an der Elbe.
Rund 100.000 Euro Fördermittel
Gefördert werden Forschung und Einrichtung der Mini-Museen mit rund 100 000 Euro, die sich aus EU-Mitteln und Geldern der beteiligten Kommunen, der VGH-Stiftung und der Sparkasse Harburg-Buxtehude zusammensetzen. Zudem wird Norbert Fischer seine Forschungsergebnisse in einem Buch zusammenfassen; ein zweites Buch von Hobbyautoren soll sich mit der Kultur- und Sozialgeschichte der Winsener Marsch befassen.
„Ein erster Schatz ist uns auch schon angespült worden“, berichtet Rolf Wiese strahlend. Das sei immer ein positiver Nebeneffekt solcher Projekte: Das Museum erhielt eine historische Landkarte der Vogtei Neuland aus dem 18. Jahrhundert. Das handgemalte Stück hat die unglaublichen Ausmaße von 2,20 mal 3,50 Meter und muss jetzt erst einmal restauriert werden.
Von Kathrin Röhlke