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Vor der Kleingartenanlage versammeln sich am Mittwoch Gärtner und Politiker, um den Eigentümer vom geplanten Abriss der Parzellen abzuhalten. Da wissen viele der Anwesenden noch nichts von den vermuteten Altlasten im Untergrund. (Foto: dre)

Was schlummert unterm Sonnenfeld?

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Meckelfelder Kleingärtner wollen sich gegen Abriss wehren. Doch unter dem Grün könnte Sondermüll vergraben sein.

Meckelfeld. Der Hamburger Philipp Sonnenfeld ist Eigentümer der nach seinem Familiennamen benannten Kleingartenanlage in Meckelfeld. Nach 30 Jahren läuft nun der Vertrag der Pächter aus und soll nicht verlängert werden. Das Land soll bebaut werden, was die Politik fraktionsübergreifend ablehnt. Er will trotzdem die Räumung – und vielleicht irgendwann bauen. Die Kleingärtner haben sich am Mittwoch vor ihren Parzellen versammelt, um ihren Unmut kundzutun. Auch ein unnachgiebiger Philipp Sonnenfeld ist anwesend. Dann platzt die Bombe. Nicht nur ihn überrascht der Sondermüll. Liegen Asbest, Quecksilber und Teer in einer alten Grube unter dem Idyll vergraben?

Kleingärten sollen weg, eine Ausweisfläche gibt es nicht

Hochgewachsene Hecken rahmen die Parzellen der Kleingärtner ein. Jahrzehntelang gewachsene Obstbäume, Sträucher und Blumen schmücken die Kleingärten. Hütten, Lauben, Pavillons – ja sogar Pools und Gewächshäuser sind vereinzelt zu entdecken – wurden für teures Geld errichtet.
Eine Lebensaufgabe, für manchen sein Lebenswerk, wie im Gespräch mit Hans Wilhelm deutlich wird, der seine Anlage seit 20 Jahren bewirtschaftet. „Laube, Pavillon, Gehwegplatten, zwei Teiche mit Goldfischen und die Obstbäume. Alles soll verschwinden“, erklärt der Senior. Seine Stimme zittert, ihm sind Ärger und Verzweiflung deutlich anzusehen. „Ich muss alles entsorgen.“ Eine Ausweichfläche gebe es nicht. Auch alle Kabel müssten ausgegraben werden. „Zuerst sollten wir auch noch alle Baumstümpfe ausgraben, jetzt sollen sie ebenerdig abgesägt sein, sodass ein Rasenmäher darüber fahren kann“, sagt Wilhelm und lacht bitter. „Der will das Grundstück in einem besseren Zustand zurück, als wir es damals von seinem Großvater bekommen haben!“

Nicht mehr als ein Pyrrhussieg

Das Grundstück hat insgesamt 22 200 Quadratmeter. Es ist unmöglich zu sagen, wie viele Stunden Arbeit die Pächter in ihre grünen Oasen gesteckt haben. Sie sind heute zur Rettung angetreten. Doch es ist nur ein letzter verzweifelter Versuch, die Katastrophe noch abzuwenden. Das Tor zur Anlage ist aus Metall und mit „KV zum Sonnenfeld 1993“ überschrieben. Die Buchstaben sind genauso aus Metall, wie die darüber thronenden stählernen Sonnenstrahlen, die irgendwie die Unbeugsamkeit der Meckelfelder symbolisieren. Auch der Rat ist fraktionsübergreifend anwesend und stellt sich hinter die Kleingärtner. Die Politiker schließen durchweg eine Bebauung aus und machen deutlich, dass es nicht mal einen Bebauungsplan gebe.

Für Eigentümer Philipp Sonnenfeld scheint nicht mehr als ein Pyrrhussieg in Aussicht. Dennoch hält er stur am Abriss fest. Für ihn, vielleicht für alle, wird es später noch etwas mehr zu schlucken geben.

Manuela Bunde von der SPD erläutert weitere Hintergründe: „Das ist ursprünglich schon eine Ausgleichsfläche gewesen, die der Großvater damals geschaffen hat, weil er einen Wald gerodet hat.“ Parteigenosse Ulrich Saug ergänzt: „Der Flächennutzungsplanlan gilt, den kann man nicht einfach aushebeln.“ Die Freien Wähler um Angelika Gaertner hatten die Aktion initiiert. Der Kleingartenverein war an die Partei herangetreten und hatte um Unterstützung gebeten. Auch Gaertner macht eine klare Ansage: „Die Fläche bleibt grün!“ Ortsbürgermeister Peter Langenbeck (CDU) bestätigt das, räumt jedoch ein: „Der Drops ist gelutscht. Zwei Gerichtsprozesse wurden verloren und 2023 ist Schluss.“

Die Nerven liegen blank

Alle Appelle nützen nichts. Philipp Sonnenfeld steht lächelnd in der Mitte und alles scheint an ihm abzuprallen. Der laut seinem Instagram-Profil 27-Jährige meint, er habe dem Verein zwei Verlängerungen angeboten, die ausgeschlagen worden seien. „Ich verstehe, was Sie wollen. Aber da komme ich nicht hin“, versucht er es mit einem Hauch Verständnis.

Mehrere ältere Anwesende regen sich auf. Ein Mann schreit: „Die Entsorgung kostet 10 000 Euro! Wie soll ich mir das leisten? Du hast doch Millionen, wir haben nichts.“ Eine Frau schimpft: „ Ich bin 80 Jahre. Ich kann mir einen Neuanfang nicht leisten!“ Dann entbrennt zwischen den Vereinsmitglieder ein Streit über die Gerichtsverhandlungen. Es wird unübersichtlich, die Nerven liegen blank. Irmelin Schütze von den Freien Wählern möchte vom Eigentümer wissen, was er konkret in naher Zukunft mit der Fläche vorhat. Er antwortet: „Ich schau mir an, was dort möglich ist und dann mache ich das.“ Hinweise, dass nur genau das möglich sei, was gerade aktuell steht, ignoriert der Großstädter stur. Doch dann horcht er auf.

Das Rätsel um den Sondermüll

Die Kleingärtner berichten von Altlasten, die Großvater Sonnenfeld einst in einer Kuhle vergraben habe, bevor die Gärten angelegt wurden. Nur einige ältere Zeitzeugen wüssten davon. Von Bahnschwellen mit Teer und Quecksilber ist die Rede sowie von asbesthaltigen Bauteilen, die von alten Schulbaracken aus Hittfeld stammen würden. Damals seien Bäume und Pflanzen kurz nach dem Setzen eingegangen, bei Regen bildeten sich Ölfilme auf den Pfützen.

Nicht nur Eigentümer Philipp Sonnefeld verschlägt es beim Gehörten die Sprache. Nur wenige Anwesende wussten bereits davon, einige wurden erst vor wenigen Tagen oder Wochen darüber informiert. Viele der Kleingärtner erfahren erst jetzt, worauf sie womöglich Jahrzehnte lang ihre Freizeit verbrachten. Sonnenfeld kündigt dann direkt an, sich der Sache anzunehmen und möchte sich zügig mit den Ratsfraktionen beraten. Angelika Gaertner will sich unterdessen bei der Kreisverwaltung erkundigen, ob die unterstellten Entsorgungen im Altlastenregister erfasst sind. In Meckelfeld ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Von Andreas Urhahn

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