Lüneburg. Dieses Museum ist auch für Freunde der Kunst aus dem Landkreis Harburg ein Muss. Lüneburgs Ehrenbürger Henning J. Claassen hat ein Haus für zeitgenössische Kunst errichtet. Auf 800 Quadratmetern Ausstellungsfläche sind ab 1. September rund 120 Kunstwerke zu sehen. Claassen sammelt seit rund 50 Jahren Kunst. Vertreten sind in der Ausstellung Stars wie David Hockney, Banksy, Roy Lichtenstein und viele mehr. Mehr als fünf Millionen Euro kostete allein der Bau an der St.-Ursula-Straße. Die Kultur der Stadt wird durch das Kunstmuseum nachhaltig bereichert.
An der Garderobe macht sich eine Lederjacke breit. Sie lässt sich nicht zur Seite schieben. Sie ist aus Bronze, geschaffen vom Amerikaner Scott Hanson. „Glory Days“ nennt Hanson die Jacke, und wirklich so etwas wie „glory days“ erlebt Lüneburg jetzt an der St.-Ursula-Straße. Dort eröffnet am 1. September ein Museum, das einen spannenden, originellen und hochwertigen Querschnitt durch die zeitgenössische Kunst bietet. Das Museum ist ein ganz großer Gewinn für die Stadt und die Region, gestiftet und errichtet vom Unternehmer und Lüneburger Ehrenbürger Henning J. Claassen.
„Ich sammele seit rund 50 Jahren Kunst“, sagt Claassen, „mit 19 habe ich in London für meine Mutter ein Ölgemälde gekauft. Das weckte mein Interesse an der Kunst und entwickelte sich zu einer Leidenschaft.“ Der heute 78-Jährige ist ein Lüneburger Weltbürger. Er ist in Lüneburg geboren, machte sich mit 27 Jahren selbstständig, baute ein Unternehmen mit Werken in 14 Ländern auf. Bei seinen Geschäftsreisen nutzte er die knappe Freizeit, um Galerien und Museen zu besuchen – und kaufte Kunst, die ihn ansprach.
Der Heimatstadt stets eng verbunden
Claassen blieb seiner Heimatstadt stets eng verbunden. Mit dem Bau des Bergströms erschloss er Lüneburgern und Besuchern das in weiten Teilen heruntergekommene Wasserviertel neu. 2010 kam das Hotel „Altes Kaufhaus“ hinzu, im Untergeschoss richtete Claassen eine Galerie ein. Mit dem Verkauf der Hotels vor fünf Jahren ging die Idee einher, die große, gut 700 Arbeiten umfassende Sammlung konzentriert zeigen zu können.
Nach einigem Hin und Her einigten sich Claassen und der damalige Oberbürgermeister Ulrich Mädge auf einen Standort, der kraftvoll eine Kunstmeile stärkt: Theater – Musikschule – Kunstsammlung Claassen – Deutsches Salzmuseum.120 Werke sind nun auf gut 800 Quadratmetern in dem Kubus zu sehen, der mit seiner Hülle aus hellem Travertin zum Besuch lockt. „Ich wollte das Haus pur und klar“, sagt Claassen zum Gebäude. Entworfen hat es der Architekt Carl-Peter von Mansberg.
Empfangen werden die Besucher in einem großzügigen Foyer samt Café. Dort steht auch ein rot leuchtender Flügel. „Es wird hier regelmäßig Kunst und Konzerte geben“, sagt Claassen. Doch zuallererst geht es um Bilder, Grafik, Fotos und Skulpturen. „Alles, was Sie sehen, habe ich als Sammler ausgesucht. Ich habe nie auf mögliche Wertsteigerungen geachtet“, sagt Claassen.
Seine Sammlung ist entsprechend individuell geprägt. Sie öffnet sich dem Populären und Originellen, ist dem Gegenständlichen mehr zugewandt als dem Abstrakten. Zugleich repräsentiert sie in weiten Teilen die Kunst des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts. Claassen will mit seinem Museum Menschen begeistern, auch solche, die eigentlich keinen Bezug zur Kunst besitzen. Claassen baut darauf, dass Besucher aus ganz Deutschland und darüber hinaus kommen.
Picasso, Gerhard Richter, Andy Warhol
Große Namen der Kunst können zum Besuch reizen: Picasso, Gerhard Richter und Neo Rauch, Andy Warhol, David Hockney, Banksy und viele mehr. Die echten Entdeckungen aber stammen von Künstlern, die hier nicht alle kennen. Dazu zählt die lebensecht wirkende, der menschlichen Existenz nachspürende Skulptur „Reunion“ des Kanadiers Sam Jinks. Dazu zählen auch Bilder, die Claassen zu seinen Lieblingsstücken zählt. Zum einen „Dressed for School“, ein Aquarell des Amerikaners Stephen Scott Young, das ein Mädchen mit einem sehr intensiven, ängstlichen, in die Tiefe ziehenden Blick zeigt. Zum anderen ein Bild, bei dem der auch als Fußballer erfolgreiche Argentinier Aldo Luongo in impressionistischer Manier zwei Männer auf einer Bank zeigt, mit verschmitztem Blick: „Watch out, here she comes“.
„Es kann jeder hier sein Bild, seine Skulptur finden“, sagt Claassen. Der große Ausstellungsraum im barrierefrei erreichbaren ersten Stock ist in Nischen unterteilt, so bleibt eine Übersichtlichkeit beim Besuch erhalten. Gehängt hat der Museumsmacher die Werke nach Themen- und Farbwelten, unterstützt von der Lüneburger Künstlerin Katharina Kühne. „Wir haben manche Bilder vier-, fünfmal umgehängt“, sagt Claassen. Einige Bohrlöcher sind kurz vor dem Start noch abzudecken.
Die Ausstellung wird ab und an ihr Gesicht ändern. Das Archiv im Keller ist gut gefüllt. Einen Teil seiner Sammlung zeigt Claassen zudem in seinem Hotel „De Wiemsel“ im niederländischen Ootmarsum.
Eigens eine Stiftung gegründet
Der Unternehmer denkt über seine eigene Zeit hinaus: Für sein Kunstmuseum hat er eine Stiftung gegründet. Henning J. Claassen reiht sich mit seinem Schritt ein in die Liga der Stifter, die mit ihren Sammlungen in Städten Museen errichteten, von Guggenheim in Bilbao bis Gunzenhauser in Chemnitz.
Claassen ist ein Mann der Tat, nicht der großen Worte. Sein Haus der Kunst startet er mit einem „soft opening“ – keine Reden, kein Sekt, kein verbaler Weihrauch. Der Eintritt zur Kunstsammlung Henning J. Claassen ist mit vier Euro günstig, eine Jahreskarte kostet lediglich 29 Euro, ein zweisprachiger Guide durch die Sammlung drei Euro. Öffnungszeiten ab 1. September: Donnerstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr. Führungen können gebucht werden. Homepage: https://www.kunstsammlung-henningjclaassen.de
Von Hans-Martin Koch