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Berufsschäfer Wendelin Schmücker aus Winsen vor dem Lüneburger Landgericht: Seine Klage scheiterte, eine Waffenbesitzkarte wird es für ihn nicht geben. (Foto: be)
Berufsschäfer Wendelin Schmücker aus Winsen vor dem Lüneburger Landgericht: Seine Klage scheiterte, eine Waffenbesitzkarte wird es für ihn nicht geben. (Foto: be)

Der Schäfer bleibt unbewaffnet

Schäfer Wendelin Schmücker aus Borstel will seine Herden vor dem Wolf schützen – mit einer Flinte. Die Winsener Stadtverwaltung hatte dies abgelehnt. Also wandte sich Schmücker an das Verwaltungsgericht Lüneburg. Doch das weist die Klage ab.

Winsen/Lüneburg. Schon vor der gestrigen Verhandlung am Verwaltungsgericht Lüneburg war Wendelin Schmücker ein gefragter Mann. Der Schäfer aus Borstel, der bei der Stadt Winsen eine Waffenbesitzkarte beantragt, aber nicht bekommen hatte, ist in die nächste Instanz gezogen. Zahlreiche Medienvertreter vom NDR, RTLNord oder gar Welt-TV interviewten und filmten den 46-Jährigen, der passenderweise mit Hut, Weste und Hirtenstab in Lüneburg erschienen war.

Bereits 2018 hatte Schmücker eine Waffenbesitzkarte beantragt, drei Monate später schickte die Winsener Stadtverwaltung den ablehnenden Bescheid. Das Bedürfnisprinzip bestehe nicht, hieß es darin. Der Schäfer hatte die Waffe, eine Flinte Kaliber 12, zum Schutz seiner Schafe vor Wolfsangriffen beantragt. Er wolle so den Wolf vergrämen und den nur in allerletzter Instanz erschießen. Schmücker legte Widerspruch gegen den Bescheid der Stadt Winsen ein, ziemlich genau vier Jahre später traf man sich jetzt wieder.

Mit der Flinte den Wolf konditionieren

Am Dienstag befasste sich nun die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg mit dem Fall. Unter dem Vorsitz von Richter Dr. Sebastian Luth ging es ins Detail. Das erste Wort hatte der Schäfer. Seine Schafherden seien seine Existenzgrundlage, er beziehe rund 75 Prozent seiner Einnahmen aus dem Verkauf von Lammfleisch. Für den Verlust von Lämmern und Schafen nach einer Wolfsattacke gebe es keine angemessenen Entschädigungen.

Mit der Flinte wolle er den Wolf auf Distanz halten und die Waffe einsetzen, wenn sich der Wolf auf rund 300 Meter genähert habe. Vorsitzender Richter Luth gab zu bedenken, dass Schmücker mit einer Flinte maximal 50 Meter weit schießen könne – und zwar nur mit einer breiten Streuung. Zudem nütze die Flinte ja nichts, wenn Schmücker nicht bei der Herde sei, wie bei den zwei bisher erfolgten Attacken. Der Borsteler verteilt zeitweise acht Herden auf mehrere Flächen im Osten Winsens, erst zur Herbst-Wintersaison zieht er die rund 1000 Tiere zu einer großen Herde zusammen.

„Ständige Sicherheit für die Herde flächendeckend zu gewährleisten, ist schlicht nicht möglich“, konstatierte Dr. Heiko Granzin, Schmückers Rechtsbeistand aus Hamburg. Sein Mandant wolle mit der Waffe eine negative Konditionierung bei den Wölfen erreichen und bei etwaigen Angriffen agieren können.

Der Wolf sei „lange nicht mehr gefährdet“

Der Schutz des Eigentums, das die Lebensgrundlage für die Familie und zwei Altenteiler bedeute, sei entscheidend für den Schäfer Schmücker, so der Rechtsanwalt. Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Paragraf 228 gehe es unter dem Stichwort „Verteidigungsnotstand“ um die Abwehr drohender Gefahr, die auch von Tieren ausgehen könne, die im Sinne des Paragrafen dann „herrenlose Sachen“ seien. Dies spreche dafür, dass auch ein Abschuss denkbar wäre. Da der Wolf „lange nicht mehr gefährdet“ sei, werde auch das Rechtsgut Tierschutz „praktisch nicht berührt“, so Granzin. Somit bleibe es beim Antrag auf eine scharfe Waffe und den Hilfsantrag für Gummigeschosse.

„Wir sind hier falsch“, leitete Theodor Peters, Justiziar der Stadt Winsen, seine Gegenrede ein. Der Kläger wolle den Rechtsrahmen ausweiten und verfolge damit eine politische Agenda. Ginge es allein um die Vergrämung von Wölfen, reiche dafür eine Schreckschusswaffe, für die es nur einen kleinen Waffenschein benötige. Diese Erteilung sei „kein Problem“. In seinem Antrag habe der Schäfer keinen Sachkunde-Nachweis oder ein waffenrechtliches Bedürfnis anführen können.

Rechtsanwalt Granzin gab zu, dass dieses Verfahren eine politische Dimension für den Kläger habe. „Diese Klage ist getrieben von einer gewissen Verzweiflung“, so Granzin, der beschrieb, was aus seiner Sicht für den Schäfer möglich sein solle. Es müsse rasseln, um den Wolf zu vergrämen. Es gehe nicht um das Töten der Tiere, aber schmerzvoll müsse es schon sein, damit der Wolf lerne, sich fernzuhalten. Für Schmücker gehe es um einen Familienbetrieb in dritter Generation, der Beruf sei seine Leidenschaft, seine Tochter solle den Betrieb fortführen.

So wenig Menschen wie möglich bewaffnen

Vorsitzender Richter Dr. Sebastian Luth stellte klar, dass es bei der Abwägung des Gerichtes nicht allein um Ja oder Nein gehe. Die Maxime sei es, so wenig Menschen wie möglich zu bewaffnen. Er erkenne im Schäfer keine gefährdete Person. Zudem sei das Land Niedersachsen verpflichtet, den Wolf zu schützen. Nach einer kurzen Beratung verkündete die 3. Kammer ihr Urteil: Die Klage werde insgesamt abgewiesen und folgte im Prinzip der Argumentation der Stadt Winsen. Der Kläger habe das für die Erteilung der beantragten Erlaubnisse erforderliche waffenrechtliche Bedürfnis nicht nachgewiesen, heißt es in der Urteilsbegründung.

Der Wolf stehe unter strengem Schutz und unterliege in Niedersachsen einer ganzjährigen Schonzeit. Angesichts dieser bewussten gesetzgeberischen Entscheidungen sei das Interesse eines Weidetierhalters, zum Schutz seiner Tiere einen Wolf verletzen oder töten zu dürfen, nicht anzuerkennen, so das Gericht. Abgelehnt wurde auch der Hilfsantrag auf Gummigeschosse. Schmücker müsse dafür zunächst einen Antrag bei der Stadt Winsen stellen.

Von Stadt-Justiziar Theodor Peters gab es zum Urteil einen kurzen Kommentar: „Wir haben mit nichts anderem gerechnet.“ Wendelin Schmücker sagte, dass er das Urteil zur Kenntnis nehme und auch anerkenne. „Wir werden aber auch prüfen, ob wir in Berufung gehen“, so der 46-Jährige.

Von Björn Hansen