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Morgens um 5.30 Uhr war gestern die Frühschicht vor dem Amazon-Logistikzentrum in Winsen in den Warnstreik getreten. Auch die Spätschicht wurde dann zur Arbeitsniederlegung aufgefordert. (Foto: pr)

Warnstreik beim Online-Giganten

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Drei Prozent mehr Lohn bietet Amazon der Belegschaft in Winsen an. Das ist zu wenig, findet Verdi, und hat die Mitarbeitenden zum Streik aufgerufen.

Winsen. „Streik, Streik, Streik!“ dröhnt es aus den Boxen. Verdi-Vertrauensperson Hedi Touns gibt am Mikrofon alles, als die ersten HVV-Busse eintreffen. Sie sind rappelvoll mit Mitarbeitern, die zur Spätschicht wollen. Doch auf dem Amazon-Gelände im Gewerbepark Luhdorf stehen am Mittwoch Männer und Frauen in knallgelben Westen. Die Gewerkschaft hat zum Warnstreik vor dem Logistikzentrum aufgerufen.

Von 5.30 bis 23.30 dauern die Streiks

Nur drei Prozent Lohnsteigerung habe der Online-Versandriese der Belegschaft am Standort Winsen angeboten und das sei angesichts der aktuellen Inflation viel zu niedrig, erklärt Verdi-Vertrauensperson Entisar Mennerich den Ausstand. Von 5.30 bis 23.30 Uhr sollen die Früh- und die Spätschicht bestreikt werden.

Es ist ein mühseliges Geschäft für die Gewerkschaft. Etwa 70 Mitarbeiter von der Frühschicht hätten teilgenommen, sagt am frühen Nachmittag Nonni Morisse, Verdi-Sekretär für Niedersachsen und Bremen und speziell zuständig für Amazon. Eine recht überschaubare Zahl angesichts einer Belegschaft von insgesamt rund 1700 Arbeitnehmern.

Und so beeilt sich die in Koblenz ansässige Pressestelle von Amazon auch zu versichern, dass der Warnstreik keinerlei Auswirkungen auf den Betriebsablauf am Mittwoch gehabt habe: „Bei uns bleibt kein Paket liegen“, erklärt Sprecher Thorsten Schwindhammer. Und verweist darauf, dass die Argumentation einer nur dreiprozentigen Lohnerhöhung zu kurz greife: „In Winsen steigt der rein rechnerische Einstiegslohn auf 12,59 Euro brutto pro Stunde, hinzu kommt ein variabler Bonus.“ Damit läge der rechnerische Einstiegslohn bei 13,17 Euro, dazu kämen weitere Erhöhungen nach ein- und zweijähriger Betriebsgehörigkeit.

Ob diese Bezahlung angemessen ist, bleibt derweil schwer durchschaubar. Denn Amazon verweist darauf, dass man auch Zuschüsse für die Fahrkarten, für die betriebliche Altersvorsorge, kostenlose Versicherungen und Getränke, sowie vergünstigte Mahlzeiten zahle. Und dass für eine Tätigkeit in der Logistik keine Vorqualifikation erforderlich sei.

Amazon zahlt in jeder Region anders

Das Unternehmen räumt auch ein, je nach Region eine unterschiedliche Bezahlung vorzusehen. In Winsen sei es nach zweijähriger Betriebszugehörigkeit ein Lohn von 35.000 Euro brutto pro Jahr. Bei höherer Qualifikation sei es entsprechend mehr.

Angesichts dieses komplexen Konstruktes hat es die Gewerkschaft nicht leicht, für ihre Sache zu werben. Und so zeigen sich viele der Arbeiter, die am Mittwoch zur Spätschicht aus den Bussen steigen, verunsichert bei der Aufforderung, eine gelbe Streikweste anzuziehen, anstatt ins Logistikzentrum zu gehen. Die Führungsriege des Unternehmens würde ein Klima der Angst verbreiten, behauptet Verdi-Funktionär Morisse: „Nicht organisierten Mitarbeitern wurde angedroht, dass sie eine Abmahnung bekommen, wenn sie am Streik teilnehmen.“ Ein Vorwurf, den das Unternehmen entschieden zurückweist: „Das ist Unsinn“, erklärt Sprecher Schwindhammer. „Jedem steht es natürlich frei zu streiken.“

Das tun an diesem Mittwoch dann doch nur wenige aus der Belegschaft. „Streik, Streik, Streik“, ruft Hedi Touns dennoch weiter unverdrossen ins Mikrofon. Bis kurz vor Mitternacht wollen sie noch aushalten, dann kommt die Nachtschicht.

Von Thomas Mitzlaff

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