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Laut Anklage sei der Angeklagte mit seinem BMW sehr schnell sehr dicht auf einen Polo aufgefahren, habe die Lichthupe betätigt und dann das Fahrzeug zwei Mal ausgebremst. (Symbolfoto: AdobeStock)

Autobahn: Wo Lichthupe und Mittelfinger regieren

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Es sind alltägliche Szenen auf deutschen Autobahnen: Autofahrer, die deutlich schneller unterwegs sind als andere, fühlen sich von den „Schleichern“ ausgebremst. Die wiederum wähnen sich durch die „Raser“ in Gefahr. Oft kommt es dann zum Zwist. Ein solches Duell auf der A7 hat nun ein gerichtliches Nachspiel.

Winsen. Auf der Autobahn scheinen manchmal eigene Benimm-Regeln zu gelten. Zwei junge Männer, 25 und 26 Jahre alt, waren jetzt vor dem Winsener Amtsgericht wegen Nötigung und Beleidigung angeklagt. Sie sollen auf der A7 in Höhe der Raststätte Seevetal-Ost einen Polo-Fahrer mehrfach ausgebremst und letztlich auf dem Standstreifen zum Stehen gebracht haben. Beide Angeklagte sollen den Mann dann zum Aussteigen aufgefordert haben, um ihn zur Rede stellen zu können. Der Polo-Fahrer aber blieb im Auto sitzen, bis die Situation sich wieder aufgelöst hatte.

Laut Anklage sei der 26 Jahre alte Angeklagte mit seinem BMW sehr schnell sehr dicht auf den Polo aufgefahren, habe die Lichthupe betätigt und dann das Fahrzeug zwei Mal ausgebremst. Auf dem Standstreifen hätten die Angeklagten den Polo-Fahrer dann beschimpft und versucht die Fahrertür aufzureißen, zudem an die Scheibe geklopft. Der Polo-Fahrer, ein junger Mann aus Braunschweig, war zwar als Zeuge für den Prozess geladen worden, sagte aber laut Richter „berechtigter Weise“ und rechtzeitig ab. So hatten die beiden Angeklagten die Bühne für ihre Sicht der Dinge.

Polo-Fahrer zwingt BMW zur Vollbremsung

Gemeinsam seien sie, die beiden Männer und eine Freundin, auf dem Heimweg auf der A 7 gewesen, als ihnen die Fahrweise des Polo vor ihnen aufgefallen sei. Der habe zwei Mal die Spur gewechselt, ohne zu blinken. Der Fahrer berichtete, dass er mit seinem BMW mit bis zu 220 Stundenkilometern auf der linken Spur unterwegs gewesen sei. Um dem Polo-Fahrer zu signalisieren, dass er die linke Spur freihalten solle, habe er die Lichthupe betätigt. Der Polo sei aber trotzdem vor sie gefahren, mit nur etwa Tempo 100.

Der BMW-Fahrer habe stark in die Eisen gehen müssen, beide Männer seien nach vorne geschleudert worden, ehe die Gurte sie zurückgehalten hätten. Beim Vorfahren habe der Polo-Fahrer sogar noch den Mittelfinger nach hinten gezeigt. Den zweiten Mittelfinger habe es gegeben, als der BMW den Polo überholte. Der 26 Jahre alte Fahrer gab vor Gericht zu, dass er den Polo letztlich bewusst ausgebremst hatte. Auf dem Standstreifen sei aber genug Platz für den Polo gewesen, um die Fahrt fortzusetzen.

Beifahrer fürchtet um sein Leben und rastet aus

Der 25 Jahre alte Beifahrer wiederum gab zu, dass er es gewesen sei, der ausgerastet war. Er leide unter Belastungsstörungen, eine Folge seiner Kindheit im Irak. Er habe bei der Begegnung auf der linken Spur um sein Leben gefürchtet und sich stark aufgeregt. Er habe auch darum gebeten, auf dem Standstreifen anzuhalten. Dort sei er zum Polo gegangen und habe den Fahrer aufgefordert, das Fenster runterzukurbeln. Auch an der Fahrertür habe er gerüttelt.

Allerdings habe er dabei keine schlechten Absichten gehabt, sondern dem Mann im Polo deutlich machen wollen, wie gefährlich die Situation auf der linken Spur gewesen sei. Sein Freund ergänzte, dass der Mann im Polo insgesamt recht locker gewirkt habe.

Ein Urteil konnte nicht gefällt werden, dafür brauche man den Geschädigten, der als Zeuge aussagen soll, argumentierte der Richter. Der Termin solle zeitnah stattfinden, denn der 26 Jahre alte Angeklagte, ein Iraker, stecke in einem Aufenthaltsverfahren, das aufgrund der Anklage vorerst gestoppt worden sei. Der Mann hat gerade seine Ausbildung zum Fahrzeuglackierer erfolgreich beendet und eine feste Anstellung. Er hoffe auf ein schnelles Ende des Verfahrens.

Von Björn Hansen

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