Von Woche zu Woche
von Thomas Mitzlaff
Es ist für die Stadt ein Dilemma. Das Thema „Bau von Flüchtlingsunterkünften“ ist mit Emotionen und auch Ängsten behaftet. Und es ist eigentlich unabdingbar, dass man die Menschen vor Ort mitnimmt, dass man ihnen zuhört und ihnen auch Zeit lässt, sich mit der Situation in Ruhe auseinanderzusetzen. Das weiß Winsens Bürgermeister André Wiese mit seiner Verwaltungsspitze sehr genau. Doch das große Problem ist, dass man im Winsener Rathaus ebenso wie in den meisten anderen Kommunen eben diese Zeit jetzt nicht hat.
Der Versuch, etwas Druck
vom Kessel zu nehmen
Denn die Flüchtlingswelle, die über Deutschland und den Landkreis Harburg derzeit herüberschwappt, hat eine Dimension, wie sie das Land noch nicht erlebt hat. Wo immer möglich, müssen Unterkünfte aus dem Boden gestampft werden, und vielerorts wurden schon Turnhallen als Notunterkünfte hergerichtet. Und während die Flüchtlinge, die dort einziehen, als einzige Privatsphäre ein Stück Plane zwischen den Betten haben, suchen die Kommunen schon wieder nach den nächsten Unterbringungsmöglichkeiten.
Da gewissermaßen vor die Lage zu kommen und zu agieren, anstatt nur hektisch reagieren zu müssen, ist derzeit quasi unmöglich. Und so ist die Schaffung von 60 Wohnungen in einem Roydorfer Wohngebiet letztlich der Versuch, ein bisschen den Druck vom Zuzugs-Kessel zu nehmen.
Verwaltung irrte sich
sogar bei der Adresse
Mit welch heißer Nadel die entsprechende Verwaltungsvorlage für den Stadtrat zusammengezimmert wurde, sieht man allein schon daran, dass nicht einmal die Fakten stimmen. So hat man im Rathaus die bestehende Obdachlosenunterkunft an der Adresse Im Saal 19 verortet, tatsächlich befindet sie sich aber Im Saal 22.
Solche Flüchtigkeitsfehler ist man von Behörden in Deutschland normalerweise schlichtweg nicht gewohnt. Wenn in einem Stadtrat ein Papier zur Verabschiedung vorgelegt wird, dann muss es Hand und Fuß haben. Doch diese kleinen Pannen belegen, unter welchem Druck derzeit Vorlagen erstellt und auch Entscheidungen getroffen werden.
Das Papier, das am Donnerstagabend durch den Rat gepeitscht wurde, enthält auch viele weitere bemerkenswerte Formulierungen, die man so aus früheren Zeiten nicht kennt. Die Verwaltung spricht darin von einem „ad-hoc-Projekt“, einem einem „ehrgeizigen Plan“ und einer Beteiligung der Anlieger in „angemessener Weise“.
Als Alibi noch ein paar
Info-Veranstaltungen
Letzteres müssen die Bürger dann schon als Hohn betrachten. Denn Fakt ist: Der Stadtrat hat am Donnerstagabend die Grundsatzentscheidung für die Bauprojekte getroffen, bevor die Menschen vor Ort überhaupt richtig verstanden haben, was da auf sie zurollt. Die Baupläne liegen längst in der Schublade, das Projekt wird jetzt ruckzuck durchgezogen. Und als Alibi macht man noch ein paar Informationsveranstaltungen.
Das ist nicht schön und es ist auch nicht der Stil, den man normalerweise von dieser Stadt gewohnt ist. Doch was ist schon normal in diesen Zeiten? Ein Miteinander wird es nicht geben, die Häuser müssen schleunigst her. Und es würde einen nicht wundern, wenn die Verwaltung längst über weiteren Plänen brütet. Denn auf dem betroffenen Feld in Roydorf ist noch viel Platz für weitere Häuser. Es ist bezeichnend, dass Bürgermeister und Kommunalpolitiker zu solchen Vermutungen bei der Sitzung am Donnerstagabend eisern schwiegen.