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Ein 22-Jähriger sieht sich als Opfer einer Sex-Attacke. Ein Fall fürs Amtsgericht. (Foto: blende11.photo - stock.adobe.com)

Ein Dildo zum Kaffee oder eine schwammige Geschichte

Winsen. Ein seltsamer Tatvorwurf wurde jetzt vor dem Winsener Amtsgericht verhandelt. Schauplatz ist eine Obdachlosenunterkunft in Winsen, wo sich im Sommer 2021 Folgendes zugetragen haben soll: Eine Bewohnerin traf sich mit einer Bekannten und deren Sohn auf dem Gelände. So richtig gemütlich wurde es aber nicht, denn die eine Frau soll dem Sohn der anderen pornografische Bilder auf dem Handy sowie einen schwarzen Dildo gezeigt haben, bevor sie den jungen Mann „Schätzchen“ nannte, ihn umarmend zu Boden riss, um ihn auf den Mund zu küssen. Sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff lauteten die Anklagepunkte.

Richter Dr. Meik Lange vernahm zunächst den 22-Jährigen, der Opfer der Sex-Attacke geworden sein soll. Der junge Mann hat eine leichte geistige Behinderung, folgte aber dem Verfahren aufmerksam. Die Bilder seien ihr aufs Handy geschickt worden, habe die Angeklagte zu ihm gesagt, dann habe sie ihm den Dildo gezeigt, alles auf dem Außengelände an einem Tisch vor den Unterkünften.

Nach Kuss den
Mund gewachsen

„Ich habe den Dildo ignoriert“, sagte der junge Mann. Das He-runterreißen und den Kuss auf den Mund habe seine Mutter nicht mitbekommen, da habe sie Wäsche weggebracht. Er habe das „voll eklig“ gefunden und sich danach erst einmal den Mund gewaschen. Danach aber habe das Trio wieder beim Kaffeetrinken zusammengesessen. Schließlich habe man sich besser kennenlernen wollen, berichtet der 22-Jährige.

Wirklich schlau wird man nicht aus seinen Schilderungen, auch weil er dann plötzlich betont, dass seine Mutter auch den Kuss gesehen habe. Am nächsten Tag habe er wieder viel Stress mit der Angeklagten gehabt. „Soll ich weitererzählen?“, fragte er. „Nein, das brauchen wir nicht“, entgegnete Lange.

Seine 52-jährige Mutter ist erwerbslos und lebt mit ihrem Sohn im Obdachlosenheim. Mit der Angeklagten sei sie befreundet, sagte sie vor Gericht und bestätigte, was ihr Sohn vorgetragen hatte: Porno, Dildo, Kuss. „Sie ist sehr aufdringlich.“ Auch sie schilderte: Man habe dann gemeinsam Kaffee getrunken, wollte sich besser kennenlernen.

Die Angeklagte nutzte bei beiden Zeugen ihr Fragerecht, wenn auch eigenwillig. Sie habe also draußen im Freien einen Dildo und Porno-Bildchen herumgezeigt, ernsthaft?, äußerte sie eher Vorwürfe mit Fragezeichen. Von der Mutter wollte sie hören, ob man wirklich befreundet sei? „Nur ein bisschen“, schränkte die 52-Jährige ein. Richter Lange und der Staatsanwältin war die Geschichte suspekt. Gerade die Schilderung des gemeinsamen Kaffeetrinkens nach den Vorfällen sei in dieser Situation kaum plausibel.

Die Angeklagte, sie ist 52 Jahre alt und Ausbilderin, erzählte es aus ihrer Sicht. Eine kurze Geschichte, denn den angeklagten Vorfall habe es nie gegeben. „Das ist deren Plan, mich zu zerstören“, sagte sie. Offenbar lag zwischen den Beteiligten schon länger etwas im Argen. Die Angeklagte kündigte an, dass als nächstes dann wohl ein Vorwurf wegen Körperverletzung folge. Auf jeden Fall komme noch etwas. Bis dahin aber bleibt der Zwist rechtlich folgenlos. „Der Vorfall hat sich nicht wie angeklagt ereignet“, war sich Lange sicher und sprach die Angeklagte frei.
Von Björn Hansen