Winsen. Dass eine Körperverletzung mit einem Kissen vor dem Winsener Amtsgericht verhandelt wird, ist bisher noch nicht vorgekommen. Aber wie immer kommt es auf die genauen Umstände an. Mann und Frau streiten sich, die Ehe ist am Ende, die Beleidigungen fliegen hin und her, dann angeblich auch Sofakissen. So berichtet es der Angeklagte, 42 Jahre alt, 1,90 Meter groß, ein Schrank, um beim Mobiliar zu bleiben.
Seine Noch-Ehefrau, 41 Jahre alt, eher 1,65 Meter groß, sagt aber, er habe sie mit dem Sofakissen geschlagen, einmal im Juni und dann wieder im August vergangenen Jahres. Beim zweiten Mal habe er sie am Auge verletzt. Es gab eine blutende Wunde, für die wahrscheinlich der Reißverschluss ursächlich war. In der Akte gibt es dazu ein Foto. Zudem habe er sie in einem Telefonat als „Drecksau“ beleidigt.
Er wird beleidigt
und wirft das Sofakissen
Zuerst aber berichtet der Angeklagte, wie es sich aus seiner Sicht zugetragen haben soll. Man habe immer wieder gestritten, weil sie ihn betrogen habe, sie habe ihn zwei Stunden lang durchweg beleidigt und gekränkt. Seine Noch-Ehefrau sei in psychiatrischer Behandlung, erwähnt er immer mal wieder, ein Heimkind, psychisch labil sei sie.
Dem Streit ein Ende gemacht habe er jeweils mit einem Sofakissen-Wurf. Ein Wurf, kein Schlag, betont er. 20 Jahre sei man ein Paar gewesen. „Drecksau“ habe er sie genannt, weil sie seiner Meinung nach schon einen neuen Freund hatte. „Ich gebe alles zu“, sagt der Angeklagte. Sie seien beide zu weit gegangen bei den Streitereien. „Es war ein Geben und Nehmen“, fasst der 42-Jährige zusammen. Aber die Scheidung laufe gut, man habe sich jetzt auch über den Verbleib der beiden Hunde geeinigt.
Zeugin stockt bei Frage
nach neuem Wohnort
Dass das Ende der Ehe auf die 41-Jährige ganz anders nachwirkt, zeigt sich im Zeugenstand. Sie müsse als Noch-Ehefrau nicht aussagen, erklärt ihr Richter Dr. Maik Lange, sie will aber. Auch bei den Zeugen werden die Personalien abgefragt. Bei der Frage nach ihrem jetzigen Wohnort, stockt sie. „Muss ich das sagen?“, fragt sie. Der Wohnort reiche, sagt der Richter.
Bei den angeklagten Streitereien sagt sie klar, dass sie mit dem Sofakissen geschlagen worden sei, einmal auf die Schulter, das andere Mal auf den Kopf. „Ich solle froh sein, dass er mich nicht totschlägt“, sagt die 41-Jährige. Er habe sie auch zwei Mal an die Wand geschubst. Und: „Beleidigungen waren Standard“, sagt die Zeugin. Sie habe sich unterdrückt gefühlt, er habe sie als verrückt bezeichnet.
Trennungsgrund sei auch keine Affäre gewesen, sondern ihr heimliches Rauchen, das er ihr verboten hätte. Ihr Mann sei schon eifersüchtig gewesen, wenn sie Kollegen angeschrieben hätte. Probleme habe es in der Ehe schon früher gegeben, aber nie solchen Streit. Sogar zur Paar-Therapie sei man gegangen. Er aber sei gewalttätig.
Dann spricht die 41-Jährige über ihre gesundheitlichen Probleme. Sie habe eine schwere Kindheit und Jugend gehabt, leide unter schweren Depressionen und Panikattacken. Nach dem letzten Vorfall sei sie sechs Wochen in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Der Verteidiger des Angeklagten macht einige wackelige Versuche, die Zeugin in Widersprüche zu verwickeln, was aber nicht gelingt.
Auch Richter Lange hat genug gehört. Er empfiehlt dem Angeklagten und seinem Verteidiger den Einspruch gegen den Strafbefehl auf die Tagessatzhöhe zu beschränken. Sonst könne das Urteil deutlich strenger als der Strafbefehl ausfallen. Der Angeklagte ist bereits wegen Körperverletzung vorbestraft. Am Ende sind für den 42-Jährigen 600 Euro zu zahlen.
Von Björn Hansen