Winsen. Der Angeklagte kommt im Business-Look, schwarzer Anzug, dunkelblaues Hemd. „Geben Sie mir noch eine Chance“, wird er wenig später über seinen Anwalt das Winsener Schöffengericht anflehen. Die Säuglinge, an denen sexuelle Handlungen vorgenommen wurden, hatten diese Chance nicht. Sie durchlitten Höllenqualen, von denen Philipp B. (Name geändert) unzählige Bilder auf seinen Festplatten gespeichert hatte. Der Besitz der 158 Dateien mit kinderpornografischen Bildern ist nach dem Gesetz ein Verbrechen, das das Gericht mit einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung ahndete.
Im Januar 2022 hatte die Polizei die Wohnung des 40-Jährigen in der Samtgemeinde Elbmarsch durchsucht und die perversen Bilder auf einem Handy, zwei Notebooks und fünf Festplatten gefunden. Er sei damals durch beruflichen Stress und die Pflege eines Familienangehörigen sehr belastet gewesen und habe sich in diese Chats geflüchtet, heißt es in der Erklärung, die der Verteidiger abgibt. Der verheiratete Angeklagte selbst, der im öffentlichen Dienst angestellt ist, schweigt weitgehend und macht auch von der Möglichkeit des so genannten letzten Wortes keinen Gebrauch.
Das unbeschreibliche Leid der minderjährigen Opfer ist das eine Thema, die juristische Aufarbeitung ein anderes. Und so fallen in Saal 120 des Winsener Amtsgerichtes an diesem Vormittag verstörende Sätze. Etwa als der Verteidiger in seinem Plädoyer angesichts der fürchterlichen Bilder eines Säugling-Missbrauchs von einem „Beifang“ spricht – diese Fotos habe sein Mandant womöglich gar nicht haben wollen, sie seien mit Bildern älterer Kinder quasi mitgeliefert worden.
Verteidiger beklagt
die Kosten des Verfahrens
Oder als der Anwalt die von der Staatsanwaltschaft geforderte Geldauflage von 2800 Euro an den Kinderschutzbund als zu hoch bezeichnet – schließlich habe das Verfahren schon gewaltige Kosten für seinen Mandanten verursacht und auch sonst sei die ganze Aufarbeitung ja auch für Philipp B. schon sehr belastend gewesen.
Für sein damaliges Verhalten schäme er sich zutiefst, „solche Bilder ekeln mich heute an“, lässt Philipp B. über seinen Anwalt erklären. Und dass ihm unter anderem das lange Strafverfahren die Augen geöffnet hätte.
Ob er eine Therapie gemacht habe, will der Vorsitzende Richter Dr. Meik Lange wissen. Der Verteidiger verneint das im Namen des 40-Jährigen. Sein Mandant sei kein Pädophiler. Er habe sich mit seiner Ehefrau ausgesprochen und sei „überaus glücklich“ dass die Beziehung daran nicht gescheitert sei. „Meine Sexualität ist auf erwachsene Frauen ausgerichtet und ich weiß, welches unendliches Leid den Opfern zugefügt wird“, ergänzt der Angeklagte.
3000 Euro an
den Kinderschutzbund
Im Plädoyer schwadroniert der Verteidiger dann darüber, dass man sich mit der Zahl von 158 Dateien angesichts der „schnellen Verfügbarkeit“ von solchen Bildern im Netz doch eher im geringeren Bereich bewege. Das sei die „Schattenseite der Digitalisierung“. Der Anwalt verweist auf das Geständnis und das hohe Maß an kritischer Selbstreflektion, beides müsse im Strafmaß berücksichtigt werden.
Das solle bei einem Jahr und neun Monaten Haft sowie einer Geldauflage von 2800 Euro für den Ersttäter liegen, hatte die Staatsanwältin zuvor gefordert. Das gesetzliche Strafmaß bewegt sich bei einer Haftstrafe zwischen einem und fünf Jahren.
Das Schöffengericht verhängte schließlich die geforderte Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Der Angeklagte sei voll umfänglich geständig und habe sich mit der Tat auseinandergesetzt. Die Zahlung auf den Kinderschutzbund stockten die Richter auf 3000 Euro auf, eine Bewährungsauflage ist außerdem das Absolvieren einer Therapie.
Harsche Kritik übt der Vorsitzende Richter derweil an „kruden Bemerkungen, die wir hier nicht so stehen lassen dürfen“. So handele es sich bei den Bildern nicht um Beifang, sondern um Fotos von Kindern, „an denen widerliche sexuelle Handlungen vorgenommen wurden“. Die Taten dürften keinesfalls in irgendeiner Form relativiert werden, betonte Dr. Meik Lange.
Von Thomas Mitzlaff