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Kreisarchäologe Dr. Jochen Brandt und sein Team sind bereits im letzten Jahr auf Überreste des alten Rathauses von 1627 gestoßen. Jetzt gehen die Ausgrabungen in der Winsener Innenstadt weiter. (Foto: jhk)

Ausgrabungen in Winsen: Überreste vom ersten Rathaus gefunden?

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Winsen. Im vergangenen Jahr stieß man im Rahmen der Erdarbeiten in der Winsener Innenstadt auf Überreste des alten Rathauses. Für Kreisarchäologe Dr. Jochen Brandt war das keine Überraschung, dementsprechend war er beim Startschuss der Arbeiten am Vorplatz der Winsener St.-Marien-Kirche vor Ort. Jetzt gehen die Ausgrabungen für den Archäologen und sein Team in der City weiter – in fünf Monaten muss alles aus der Erde sein.

Rund 70 Quadratmeter sind mittlerweile freigelegt und werden untersucht. Hin und wieder halten Passanten an und schauen, ob sie etwas Spannendes entdecken können. An der aktuellen Ausgrabungsstelle müssen Dr. Jochen Brandt und sein Team rund zwei Meter tief, haben auch schon einige Entdeckungen gemacht. „Wir haben Überreste des alten Rathauses von 1627 gefunden. Diese wollen wir nach und nach aus der Erde holen und später untersuchen“, erklärt der Kreisarchäologe.

Gipsmörtel weist
auf Rathaus vor 1627 hin

Die Überreste einer Mauer passen aber nicht ganz in die Bauweise von damals. „Wir bestimmen das Zeitalter nach Struktur und Bauweise der Mauern. Zum Halt der Steine wurde bei einer Mauer Gipsmörtel verwendet. Dies würde auf den Bau vor 1627 deuten“, vermutet Brandt, kann genaueres aber erst nach der Auswertung der einzelnen Überreste sagen. Das erste Rathaus von Winsen fiel 1585 einem Großfeuer zum Opfer, wurde anschließend neu aufgebaut und rund 40 Jahre später im Dreißigjährigen Krieg erneut zerstört. Gut möglich also, dass die entdeckten Überreste vom ersten Winsener Rathaus stammen.

Insgesamt legen die Archäologen rund 280 Quadratmeter frei, müssen aber nicht an allen Stellen zwei Meter tief graben. „Dort, wo wir so tief müssen, kommt die Pumpenkammer des neuen Wasserspiels hin. Daher hätte dort ohnehin tief gegraben werden müssen“, erklärt Brandt, der auch schon den Blick auf die nächsten Wochen und Monate wirft. „Wir werden uns hier nach und nach in Richtung alten Glockenturm vorarbeiten“, erläutert der Kreisarchäologe, der diesen bereits in vorherigen Ausgrabungen ausfindig gemacht hat. Auf der Fläche des alten Glockenturms, an der Ecke Rathausstraße/Markstraße wird künftig ein Wasserspiel seinen Platz finden.

Nach der Ausgrabung
folgt die Katalogisierung

Daher drängt die Zeit, im November müssen die Ausgrabungen abgeschlossen sein. Im Anschluss ist die Arbeit von Brandt und seinem Team jedoch keinesfalls erledigt. „Wir müssen dann die Funde waschen, untersuchen und katalogisieren. Da gehen sicherlich noch einmal rund zwei Monate an Zeit drauf“, so der Kreisarchäologe. Insgesamt seien tausende Fotos und Funde zu sortieren und dokumentieren. „Die Funde müssen alle bestimmt werden“, unterstreicht Dr. Jochen Brandt.

Einige Passanten fragen den Archäologen, ob das Rathaus vielleicht im Anschluss wieder irgendwo aufgebaut wird. Der Kreisarchäologe hat dazu eine klare Meinung: „Man kann die Steine nach dem Sicherstellen nicht wieder aufeinander bauen. Sie sind in all den Jahrhunderten der Bodenfeuchtigkeit ausgesetzt gewesen und brüchig geworden. Vielleicht gibt es in Zukunft einzelne Ausstellungen.“ Diese könnten dann im Rathaus oder dem Winsener Marstall stattfinden.
Doch bis dahin kommt auf Jochen Brandt und sein Team noch einiges an Arbeit zu, das Team sei aktuell zu klein. „Mir fehlen hier doch ein bis zwei Leute, die bei der Ausgrabung unterstützen“, so der Archäologe, der hofft, dass sich das noch ändert: „An einigen Universitäten habe ich die Ausgrabung beworben, vielleicht gibt es da in den nächsten Wochen noch Feedback.“ Interessierte können sich auch beim Kreisarchäologen direkt per Mail an melden. „Man muss der physischen Belastung von acht Stunden körperlicher Arbeit in der Sonne gewachsen sein“, betont Brandt mit Blick auf mögliche Bewerber.
Von Jan-Hendrik Koch