You are currently viewing Kinderpornografie: 23-Jähriger spricht vor Gericht vom größten Fehler seines Lebens
Vor dem Schöffengericht gestand der Angeklagte, verurteilt wurde er dennoch zu 22 Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. (Symbolfoto: AdobeStock)

Kinderpornografie: 23-Jähriger spricht vor Gericht vom größten Fehler seines Lebens

Anzeige

Winsen. Ein junger Afghane, noch nicht ganz 24 Jahre alt, sitzt mit hängendem Kopf auf der Anklagebank in Saal 214. Das Schöffengericht des Winsener Amtsgerichts tagt unter der Leitung von Richterin Eva Ferner. Es geht um den Besitz von kinderpornografischen Schriften, wie es im Juristendeutsch heißt. Es geht um Fotos, die Kinder und Jugendliche zeigen, in „unnatürlich geschlechtsbetonter Haltung“ oder in „grob reißerischer Weise“. Im Klartext geht es um den schweren Missbrauch von Kindern und Jugendlichen.

Angeklagter will reden –
das ist ungewöhnlich

Vor fast genau einem Jahr stand bei dem jungen Mann die Polizei vor der Tür. Gesucht wurde nach Datenträgern. Auf dem iPhone wurde man fündig: 737 Dateien mit kinderpornografischen Inhalten, 231 Dateien mit jugendpornografischen Inhalten. Der Besitz ist nach einer Gesetzesänderung in 2021 ein Verbrechen. Die Mindeststrafe beträgt ein Jahr. Die Verhandlung beginnt mit einem Rechtsgespräch, angeregt durch den Verteidiger des Angeklagten.

Alle Beteiligten sind schnell zurück, eine Einigung über eine mögliche Strafbemessung gibt es nicht. Es gibt nur eine Aussicht: Eine geständige Einlassung könne eventuell für eine Bewährungsstrafe reichen. Dieser Angeklagte ist geständig, und er will reden. Das ist bei diesem Tatvorwurf eher ungewöhnlich. Vorher erklärt er, dass er dabei aber nicht in die Gesichter der Beteiligten schauen könne. „Ich schäme mich, es ist der größte Fehler meines Lebens“, sagt der 23-Jährige. Er wisse nicht, warum er dies getan habe, aber er hasse sich dafür.

Richterin Eva Ferner fragt nach, ob sich der Angeklagte Hilfe geholt habe? Er habe sich jemandem anvertraut, der im Umfeld einer Moschee arbeite. 2015 kam der Mann als 15-Jähriger mit dem Flüchtlingstreck aus Afghanistan, geschickt hätten ihn die Eltern. Er solle Arbeit finden und die Familie zu Hause unterstützen. Mittlerweile sind die Eltern verstorben, aber den Geschwistern schickt er regelmäßig Geld. Er hat Arbeit in der Gastronomie, bei der bis zu 1800 Euro im Monat verdient.

Klick auf Weiterleitung
führt zu Kinderpornos

Nach dem Umzug nach Winsen allerdings sei er erst einmal arbeitslos gewesen, berichtet der 23-Jährige. „Ich war immer nur am Handy, habe nichts anderes gemacht“, sagt der Afghane. Beim Surfen im Internet sieht er auf Facebook offenbar pornografische Bilder von Kindern und Jugendlichen. Er habe auf eine Weiterleitung geklickt und sei dann über Google in einer WhatsApp-Gruppe gelandet. Rausgegangen aus der Gruppe ist er nicht, sondern hat sich auch noch in einer weiteren Gruppe regelmäßig umgesehen.
Einmal deutet er an, dass er es sowieso schon schwer habe in seinem Umfeld. Richterin Ferner fragt konkret nach: „Sind Sie homosexuell?“ Eine Frage, die der junge Mann bejaht. Er gibt zu, dass er sich neue Gruppen bei WhatsApp gesucht habe. Wenn man selbst keine Bilder geschickt habe, sei man rausgeflogen. Ihm sei nicht klar gewesen, dass es eine Straftat in Deutschland sei, sich diese Bilder anzusehen. Richterin Ferner ist verblüfft. Sie fragt, ob es denn in Afghanistan üblich sei, Sex mit Kindern zu haben? Nein, sagt der Angeklagte, solche Leute würden sofort getötet werden.

Fragen der Staatsanwältin
sorgen für Stille im Saal

Die Staatsanwältin hat einige Fragen. Nur eine beantwortet der 23-Jährige. Er habe kein Geld für die Dateien gezahlt. Gefragt hatte die Staatsanwältin auch, ob er sich im Klaren gewesen sei, dass das, was auf den Bildern zu sehen sei, auch „echt passiert“ sei. Eine Antwort bleibt aus. Was er denn gedacht habe bei der Betrachtung der Bilder, will die Staatsanwältin dann wissen. Was folgt, ist Stille, die gefühlt für Minuten in Saal 214 steht. Keine Antwort ist auch eine Antwort?

Etwas später findet der Angeklagte wieder Worte. „Ich wünsche mir, dass Sie mich bestrafen“, sagt er zur Richterin. Das allerdings steht von vornherein fest. Jetzt geht es um das Strafmaß. Die Staatsanwältin wertet das Geständnis positiv. Gegen den 23-Jährigen spreche der hohe Anteil der kinderpornografischen Bilder, die er auf seinem Handy hatte. „Diese Taten geschehen, weil es sich andere wiederum ansehen“, unterstreicht sie und fordert eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung.

Der Verteidiger plädiert für eine 18-monatige Freiheitsstrafe, das letzte Wort hat der Angeklagte, der sagt: „Kinder sind Engel und die Zukunft“. Er schäme sich und werde so etwas nie wieder tun. Das Schöffengericht zieht sich nur kurz zur Urteilsfindung zurück. Richterin Eva Ferner folgt dem Antrag der Staatsanwältin: 22 Monate Freiheitsstrafe, ausgesetzt für drei Jahre zur Bewährung. Der Angeklagte soll einen Bewährungshelfer zur Seite gestellt bekommen. Als Geldauflage soll er 2000 Euro an das Kinderhospiz Sternenbrücke in Hamburg zahlen.

Richterin Eva Ferner bewertet das Geständnis als gut. Der Angeklagte aber habe zahlreiche Bilder gehortet, die Kinder und Jugendliche beim Posing und beim Geschlechtsverkehr zeigten. Eine schwere Kindheit und auch die Flucht aus Afghanistan seien keine Entschuldigung für ein solches Verbrechen.
Von Björn Hansen