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Rettungssanitäter können sich im Landkreis Harburg eventuell schon bald mit einem Telefonarzt verbinden. Sie senden vom Einsatzort Live-Bilder und Vitalwerte des Patienten, der Notarzt kann dann dementsprechend unterstützen. (Foto: AdobeStock)

Rettungssanitäter könnten bei Einsätzen bald Unterstützung vom Schreibtisch aus bekommen

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Winsen. Sitzen im Landkreis Harburg bald erfahrene Notärzte am Bildschirm? Einen entsprechenden Vorstoß der CDU/FDP-Gruppe soll jetzt die Kreisverwaltung prüfen. Mit dem sogenannten Telenotarztsystem (TNS) sollen Sanitäter im Ernstfall digital unterstützt werden – vom Schreibtisch aus. Denn die dort eingesetzten Notärzte sind mit den Rettungskräften vor Ort per Headset und Video verbunden, können Vitalwerte ablesen und so die Zeit überbrücken, bis dann der Notarzt am Einsatzort eingetroffen ist – vorausgesetzt er wird überhaupt noch gebraucht.

Der Vorstoß der CDU/FDP-Gruppe geht auf ein Forschungsprojekt der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen zurück, die im Bereich Telenotarztsystem federführend ist. Seit 2007 wird dort geforscht, sechs Jahre später wurde es in den regulären Rettungsdienst erstmals mit integriert. Die Idee hinter dem System ist einfach: Erfahrene und ausgebildete Notärzte sitzen in einer Zentrale und können im Notfall angefragt werden.

Dann verbinden sich die Sanitäter vor Ort per Headset mit dem Arzt, schalten eine Kamera an und synchronisieren ihre technischen Geräte mit dem TNS. So kann der Telenotarzt nicht nur am Bildschirm sämtliche relevanten Vitalwerte ablesen und mit den Einsatzkräften kommunizieren, er bekommt auch ein Live-Bild von der Situation vor Ort. Ziel sei es laut der CDU/FDP-Gruppe, auf diesem Weg die notfallmedizinische Versorgung zu erhöhen und auch dem im Rettungsdienst eingesetzten Personal ein höheres Maß an Rechtssicherheit zu bieten.

Auch Paralleleinsätze
sind möglich

Die Kreistagsmitglieder von CDU und FDP listen in ihrem Antrag auch die Vorteile des TNS auf. So würden etwa ein Drittel aller arztgestützten Notfalleinsätze telenotärztlich unterstützt und sogar über 36 Prozent aller arztbegleiteten Verlegungstransporte rein telemedizinisch begleitet. Außerdem würden die Zeiten des arztfreien Intervalls durch die Überbrückung des TNS verkürzt werden. In 15 bis 20 Prozent der Fälle könnten auch zeitversetzte Paralleleinsäätze von einem Telenotarzt bearbeitet werden.

Um die notfallmedizinische Versorgung im Landkreis zu verbessern, hatte der Landkreis 2021 bereits wichtige Schritte genommen. Damals wurde in Winsen ein zweites Notarztfahrzeug stationiert, zusätzlich zu dem überlasteten in Seevetal. Bis dahin mussten Notärzte aus den Nachbarlandkreisen oder aus Hamburg unterstützend hinzugezogen werden. Mit dem Telenotarzt soll jetzt weiter die Qualität im Landkreis Harburg verbessert werden.

Der Vorstoß traf auf Zustimmung, sowohl bei den anderen Parteien als auch in der Kreisverwaltung. „Wir halten den Antrag für sinnvoll und für eine gute Möglichkeit, unser bestehendes System zusätzlich zu unterstützen“, erklärte Kreisrätin Annerose Tiedt. Sie verweist aber darauf, dass der Einsatz dieses Systems eine Genehmigung des Landesministeriums voraussetze. „Unsere Erfahrung zeigt, dass dieser Schritt dauern kann“, dämpft sie die Erwartungen einer schnellen Realisierung.

Goslar hat TNS
schon etabliert

Für Malte Jörn Krafft (Grüne) sei es wichtig, nicht an den bisherigen Strukturen vorbeizuplanen. Da konnte Tiedt ihn beruhigen. „Alle Beteiligten sind mit an Bord und halten das System für eine gute Idee“, berichtete sie. Auch der Ärztliche Leiter Dr. Ulrich Trappe stehe im Austausch mit Kollegen aus dem Landkreis Goslar, wo das Telenotarztsystem bereits etabliert ist. Für Dr. Erhard Schäfer (Grüne) stellen sich auch noch rechtliche Fragen, die geklärt werden müssten.Allein Henning Schwieger (AfD) hielt das TNS für keine gute Idee. „Ich bin da sehr skeptisch. Wir haben doch alle während der ganzen Zoom-Konferenzen in der Corona-Zeit gemerkt, wie viel bei sowas verloren geht“, so Schwieger. Solche Übertragungsprobleme seien aber bisher nicht bekannt, beschwichtigte Kai Pöllmann, Leiter der Abteilung Rettungsdienst, Brand- und Katastrophenschutz beim Landkreis Harburg.

Die anderen Ausschussmitglieder waren sich aber einig und stimmten für den Antrag. Damit soll die Kreisverwaltung sowohl den Aufbau eines eigenen Telenotarztsystems prüfen als auch die Anbindung an ein bereits bestehendes. Bevor endgültig über die Einrichtung eines TNS abgestimmt werden kann, werden zunächst die Ergebnisse der Prüfung abgewartet.
Von Dominik Heuer