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Zum 100. Todestag von Sophie Scholl zeigt das Theater Lüneburg Udo Zimmermanns Kammeroper „Weiße Rose“ als Verfilmung. Foto: Theater Lüneburg

Theater Lüneburg zeigt Kammeroper „Weiße Rose“ als Verfilmung

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Lüneburg. Natürlich wird der 100. Geburtstag der Sophie Scholl in diesem Mai ausgiebig gewürdigt. Sie zählt mit ihrem Bruder Hans zu den wichtigen Symbolfiguren, wenn es um den Widerstand gegen das Nazi-Regime geht. Das Schicksal der Geschwister, die 1943 hingerichtet wurden, weil sie für Freiheit einstanden, steht für die Grausamkeit von Diktatur und Terror. Eindringlich ist der Beitrag des Theaters, den Friedrich von Mansberg mit Franka Kraneis und Christian Oldenburg schuf: Sie haben Udo Zimmermanns Oper „Weiße Rose“ als Opernfilm aufgearbeitet, zu sehen als Stream über die Theater-Homepage.
Udo Zimmermann, 1943 geboren, brachte seine Kammeroper „Weiße Rose“ 1967 heraus. In expressive, avantgardistische und zugleich emotional unmittelbare Klänge bannt er die letzte Stunde der Geschwister, das Warten auf die Hinrichtung. Zu hören und zu sehen sind Bilder tiefster Verzweiflung, kurze Gedankenfluchten, das Ringen um ein wenig Trost, um Glauben an Höheres, eine Bibel hat man ihnen in die Zelle gegeben.
Was zunächst für die Bühne geplant war, entwickelte sich ganz stark ins Filmische. Mansberg lässt immer wieder das Theater spüren: Bilder aus der Garderobe, die sich einstimmenden Musiker des Freundeskreises MusikKultur Soest, wo die Musik eingespielt wurde. Eindeutig Bühne ist auch die oft von oben gezeigte Gefängnissituation, die Bühnenbildnerin Barbara Bloch mit wenigen Requisiten markiert hat.
Aufnahmen im Hasenburger Wald als Ergänzung
Schnell entwickelt sich die Produktion zu einer Oper der Blicke. Beide Darsteller lösen sich im Film weitgehend vom Singen, ihre Partien haben sie zuvor eingesungen. Gesichter drücken aus, was die Musik sagt. Franka Kraneis schaut oft in eine imaginäre Weite von Raum und Zeit, Christian Oldenburgs Hans Scholl geht immer wieder in einem Sturm der Verzweiflung schier unter. Die Kamera geht dicht heran, beide Akteure haben sich tief in ihre Rollen gegraben. Mit der so sparsam wie effektiv instrumentierten Musik formen die Bilder eine Einheit.
Dazwischen schneidet Mansberg Aufnahmen aus der Natur, aufgenommen mit den Akteuren im Hasenburger Wald – kleine Szenen aus unbeschwerter Zeit, aber auch symbolische Bilder von welkem Laub und gebrochenem Holz. Weitere Zäsuren setzt das Einblenden von expressionistischen Bildern Wilhelm Morgners.
Die Pandemie hat die Kultur in weiten Teilen in eine deprimierende Situation geworfen. Aus der Krise heraus haben sich zugleich neue Formen von Kreativität gebildet, in denen das Digitale stark in den Vordergrund rückt. Abgefilmtes Theater ist ziemlich öde. Der Zugriff, Musiktheater und Filmisches in eine andere Art des Erzählens zu transformieren, besitzt inhaltliches und ästhetisches Potenzial, das nach Corona nicht verkümmern muss. Es kann Wege zu neuem Publikum weisen.
Friedrich von Mansberg weist in einem Begleittext darauf hin, dass die Generation der Zeitzeugen stirbt. Umso stärker rücken Einzelschicksale in den Fokus; wie Anne Frank, Stauffenberg und aktuell Sophie Scholl. Gefährlich ist es indes, wie Symbolfiguren missbraucht werden, wenn etwa eine Corona-Leugnerin sich öffentlich mit Scholl vergleicht, wenn T-Shirts mit dem Konterfei von Stauffenberg über einen rechtsextremen Versand vertrieben werden. So versuchen rechte Szenen, sich in die Mitte der Gesellschaft zu drängen.
Wäre gut, wenn die Flut der Publikationen zum 100. Geburtstag der Sophie Scholl da einiges zurechtrückt. Wäre wichtig, dass sie die Verführbaren erreicht. Dieser „Weiße Rose“-Stream leistet etwas in dieser Hinsicht, vor allem durch die Kontraste der Bilder zu einer Musik, die in dieser Aufarbeitung aus ihrer intellektuellen Blase kommt. Von Hans-Martin Koch

Die Produktion dauert eine gute Stunde. Der „Weiße Rose“-Stream wird noch am 28. Mai, 9. und 20. Juni für je 24 Stunden über www.theater-lueneburg hochgeladen. Schulen können den Stream jederzeit beim Theater abrufen. Vor- und Nachbereitungen sind mitgeplant.