Drennhausen. Kai Lehmann ist sauer, und zwar mal so richtig. Bis das soweit ist, dauert es für gewöhnlich bei ihm, aber die letzte Coronaverordnung des Landes Niedersachsen hat beim kommissarischen Vorsitzenden des Jugendausschusses im Kreisfußballverband das Fass zum Überlaufen gebracht. „Inzwischen weiß keiner mehr so richtig, was Sache ist – mit dem Resultat, dass schlicht viele Trainingseinheiten abgesagt wurden“, ärgert sich der Marschachter.
In Erwartung der angekündigten Lockerungen hatte nicht nur Lehmann sich mal mehr reichlich Gedanken gemacht, was bis zum Sommer für die Fußballkinder im Landkreis noch gehen könnte. Die Vereine waren informiert, alle standen in den Startlöchern. Bis zur „Verkündigung“ der neuen Verordnung am Montag.
„Ehrlich gesagt, habe ich den Passus, der den Sport betrifft, mehrfach durchgelesen, und ich habe immer noch meine liebe Mühe mit dem verklausulierten Beamtendeutsch“, gesteht der genervte Fußballfunktionär. „Wir machen das doch alle nur ehrenamtlich – neben Job und Familie – und haben keine juristische Fachausbildung.“ Das ist auch der Grund, warum der 58-jährige Elbmarscher am Ende sogar Trainern riet, lieber erst einmal gar kein Training durchzuführen – „bevor man sich womöglich strafbar macht“. Denn die neue Verordnung hinterließ einige Fragezeichen für den Sport.
Testpflicht für Trainer
kam unerwartet
So gibt nach der neuen Verordnung vom 10. Mai bei einer Inzidenz unter 100 plötzlich eine ganz neue Auflage für den Sport im Freien: Für das Fußballtraining mit Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre benötigen Trainer und Betreuer nun unerwartet ein negatives Testergebnis, das nicht älter als 24 Stunden und offiziell bestätigt sein muss. Sind über 18-jährige Kicker dabei, was in den ältesten Juniorenklassen der Fall ist, dann brauchen auch diese einen negativen Test.
Nun hat das öffentliche Testzentrum in der Elbmarsch aber beispielsweise gerade einmal zwei Tage in der Woche geöffnet. Passt also schwer für die Coachs bei zwei Trainingseinheiten in der Woche. Die Anschaffung von Selbsttests würden einen Verein wie Eintracht Elbmarsch locker 1400 Euro im Monat kosten. Eine unerwartet hohe Ausgabe für Sportvereine, die längst jeden Euro zweimal umdrehen müssen, weil es außer den Mitgliedsbeiträgen schon lange keine Einnahmen mehr gibt. Und wer ist überhaupt die Person, die das Testergebnis bezeugen soll?
Am Montag noch waren die Justiziare des Niedersächsischen Fußballverbands (NFV) mit der Auswertung der Coronaverordnung beschäftigt, erklärte man Lehman auf Anfrage. Inzwischen gibt es auf der Verbandshomepage eine gute Übersicht in klarem Deutsch, was wie mit wem trainiert werden darf.
Vereine benötigen
mehr Vorlaufzeit
Trotzdem: Kai Lehmann geht es um die Kinder, für die der Sport oft genug ein Ventil ist, und das war zuletzt über Monate aus Angst vor Ansteckung fest verklebt. „Die jetzige Verordnung bedeutet eine Verschlechterung für den Sport. Vorher war Training für die bis 14-Jährigen ja auch möglich. Da stand der Trainer am Rand und hielt selbst Abstand. Alles findet draußen statt, die Kabinen sind geschlossen, und es findet doch gar kein dauerhafter enger Kontakt zwischen Trainern und Kindern statt. Da wird sich doch nicht andauernd umarmt, sondern nur Fußball gespielt“, ärgert Lehmann sich über die Testpflicht.
Und den Marschachter, der übrigens alle Auflagen bei hohen Inzidenzwerten für vollkommen richtig hält, nervt noch mehr: „Die Sportler brennen jedes Mal darauf, die neuen Verordnungen sofort umzusetzen, weil sie ordnungsgemäß Sport treiben möchten. Warum bekommt man es nicht hin, nach über einem Jahr Corona die Vereine rechtzeitig vor Inkrafttreten einer neuen Verordnung zu informieren? Wir brauchen in den Vereinen einfach ein bisschen Vorlaufzeit, um alle rechtzeitig zu informieren und alles richtig umzusetzen.“ Und so fragt sich der 58-Jährige, ob man sich vielfach vielleicht einfach hinter den Verordnungen verstecken wolle, anstatt konstruktiv und lösungsorientiert zum Wohle der Kinder zu arbeiten.
Die Frage nach der offiziellen Test-Aufsichtsperson hat sich übrigens inzwischen geklärt: Die Trainer können Selbsttests durchführen, die von einem Vereinsvorstandsmitglied dokumentiert und bestätigt werden. Eine weitere Zusatzbelastung. Auf Frage, warum sich immer weniger freiwillige Ehrenamtliche finden, könnte dieses Prozedere eine Antwort sein. Von Kathrin Röhlke
