Herzschlagfinale bei den Luchsen: Die Bundesliga-Handballerinnen führten schon mit 7 Treffern gegen Bensheim. Am Ende reichte es mit 26:25 noch gerade so zum zweiten Saisonsieg.
Buchholz. Was die Trainer mit den Handball-Luchsen Buchholz 08-Rosengarten vor der Partie angestellt haben, bleibt wohl ihr großes Geheimnis. Aber es war genau richtig: Mit 26:25 (16:12) tüteten die Luchse vor 130 Zuschauern in der Buchholzer NordHeideHalle ihren heiß ersehnten zweite Saisonsieg in der 1. Handball-Bundesliga gegen die Flames der HSG Bensheim/Auerbach ein und konnten damit die rote Laterne vorerst an die Bad Wildungen Vipers abgeben.
Die Luchsen gingen heiß wie das berühmte Fritten-Fett ins Spiel. Aus einer bärenstarken 6:0-Abwehr heraus lief das Team erstaunlicherweise auch im Angriff zu Bestform auf und ließ den Flames lange keinen Stich. Nach dem 5:1 und 10:3 musste Bensheims Trainerin und frühere Nationalspielerin Heike Ahl-grimm schon in der 18. Minute ihre zweite Auszeit opfern, um den Lauf der wie entfesselt aufspielenden und vom lautstarkenPublikum frenetisch beflügelten Gastgeberinnen Einhalt zu gebieten.
Ein Vogel war der beste Luchs
Die Luchse hatten sich erstklassig auf den Angriff der Flames eingestellt: Der Mittelblock mit Marleen Kadenbach und Evelyn Schulz arbeitete um Bensheims starke Kreisläuferin Isabell Hurst herum und stoppten diese immer wieder im Verbund mit den beiden Nebenspielerinnen Natalie Axmann und Sarah Lamp. Die Balleroberungen in der Defensive waren großartig, wurden aber nicht immer in letzter Konsequenz auch in Torerfolge umgemünzt.
Was dann noch aufs Tor kam, war sichere Beute der sicherlich besten Luchse-Spielerin des Abends: Nach ihrem Kreuzband-riss ist Torhüterin Mareike Vogel innerhalb kürzester Zeit wieder auf Betriebstemperatur und der wichtige Rückhalt, der dem Team zusätzliche Impulse gibt. Schon nach acht Minuten hatte die Keeperin mehrere glockenfreie Würfe pariert und den Flames gehörig den Schneid abgekauft.
Die Defensive lief also. Aber die Luchse fletschten auch im Angriff die Zähne. Angeführt von einer seit einigen Partien in bestechender Form aufspielenden Natalie Axmann, die das Spiel maßgeblich lenkte und auch zweimal selbst traf, feuerten die Luchse aus allen Rohren und von allen Positionen. Immens schnelle Ballstafetten mit Expresspässen sowie schnelle Beine brachte die Gäste-Deckung ordentlich ins Rotieren. Vor allem auf Rückraum rechts schonte sich Sarah Lamp in gewohnter Manier kein Stück: Jeden Zentimeter Raum, den ihr ihre Gegenspielerin bot, nutzte die kampfstarke Rückraumspielerin der Luchse aus und generierte so Zeitstrafen und Strafwürfe oder traf selbst.
Neue Flames-Torfrau war auf Luchse besser eingestellt
Nach dem 3:10-Rückstand zog Heike Ahlgrimm Konsequenzen: Keeperin Vanessa Fehr löste Helen van Beurden im Tor ab. Der Wechsel wirkte: Die Luchse scheiterten nun mehrfach an der guten Flames-Torfrau, die unter anderem auch auf die Würfe der Gastgeberinnen von außen besser eingestellt war. Den Luchsen ging etwas die Puste aus, was auch an zwei Gegentreffern zum 7:11 in Überzahl abzulesen war. Ihr Coach, Dubravko Prelcec, nahm die Auszeit und brachte frische Spielerinnen. Mit einer 16:12-Führung für die Luchse ging es in die Pause.
Die Luchse wagten viel: Mit einer 5:1-Deckung mit der nach Kreuzbandriss genesenen Svea Geist auf der Spitze hielten die Luchse zunächst die Führung bis zum 20:15. Doch der Plan, die siebte Feldspielerin zu bringen, ging nicht auf: Flames-Keeperin Vanessa Fehr traf ins leere Luchse-Tor, und ein Doppelschlag von Isabell Hurst brachte die Gäste auf 19:20 heran. 13 Minuten vom Abpfiff hatten die Flames sogar das Remis beim 21:21 und kurz darauf beim 22:22 hergestellt.
Grund dafür waren ein paar Fehler zu viel im Luchse-Angriff. Und nun drückten die Flames gnadenlos aufs Tempo, waren strukturierter und kamen besser aus dem Laufen über die schnelle Mitte und aus dem Rückraum zu Torerfolgen, während sich die Luchse deutlich mehr mühen mussten. Schnelle Gegentore fraßen zusätzliche Körner.
Kämpferherz in Waagschale geworfen
Doch die Luchse warfen in der Schlussphase ihr Kämpferherz in die Waagschale und ließen die Flames nicht wegziehen: Sarah Lamp und Alexia Hauf erhöhten zehn Minuten vorm Ende wieder auf 24:22. Marleen Kadenbach und Evelyn Schulz sorgten dafür, dass es auch noch knapp vier Minuten vorm Ende 26:24 für die Luchse stand. Doch die Freude über den Vorsprung währte nur zwölf Sekunden, da hatte Sarah van Gulik schon wieder den Anschlusstreffer über die schnelle Mitte erzielt.
Die letzten drei Minuten waren Spannung pur: Sarah van Gulik scheiterte zunächst vom Punkt an der überragenden Mareike Vogel. Zwei Minuten vorm Ende nahm Prelcec die Auszeit. Eine Minute vorm Ende – immer noch war kein Tor gefallen – standen die Luchse mit Freiwurf und einem letzten Pass unmittelbar vorm Zeitspiel. Sie formierte ihre Mauer, alles fokussierte sich auf Kim Berndt als vermeintliche Werferin, doch der Pass kam auf die in der Mitte frei stehende Natalie Axmann, die nur siebenmeterreif gestoppt werden konnte. Alina Molkova, die nur für Siebenmeter kam und vorher dreimal sicher verwandelt hatte, flatterten nun aber ebenfalls die Nerven: Auch sie scheiterte mit ihrem Strafwurf an der Torfrau der Gäste und brachte auch den Nachwurf nicht im Kasten unter.
Abwehr ackert um ihr Leben
30 Sekunden vorm Abpfiff rief Heike Ahlgrimm ihr Team in der letzten Auszeit zusammen. Den Rest der Zeit ackerte die Luchse in der Deckung, als ginge es um ihr Leben: Zu dritt bearbeiteten sie die Kreisläuferin und stoppten den Angriff immer wieder. Dann der letzte Freiwurf der Gäste mit der Schlusssirene: Der Wurf landete neben dem Tor!
Der Jubel der Luchse war unbändig. Coach Prelcec holte seine tanzenden und zugleich völlig ausgepumpten Spielerinnen noch einmal zu einem Teamkreis zusammen und schwörte die Mannschaft auf ihre Leistungsfähigkeit ein. Dann ließen die Spielerinnen ihren Gefühlen freien Lauf und feierten mit den Fans.
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Stimmen zum Spiel
Sieg ist Balsam für geschundene Köper und Seelen
Heike Ahlgrimm: „Wir haben eine unterirdische erste Halbzeit abgeliefert. Da haben wir all unsere Tugenden vermissen lassen. Allein sieben 100-prozentige Chancen haben wir nicht im Tor untergebracht und uns insgesamt viel zu viele Fehlwürfe geleistet. Für dieses Spiel hatten wir uns viel vorgenommen. Am Ende fehlte uns auch das letzte Quentchen Glück. Wir haben zwar nur 10 Tore in der zweiten Halbzeit kassiert, aber der Rückstand aus der Startphase war schon beträchtlich. Letztlich haben wir verdient verloren, weil wir zu viele Bälle zu leicht weggeschmissen haben.“
Evelyn Schulz: „Der Sieg wurde aber auch mal langsam Zeit. Da hat man wenigstens mal kurz Zeit durchzupusten. Denn die Niederlagen aus den wichtigen Spielen wie zuletzt gegen Zwickau waren echt böse. Die taten Körper und Geist wirklich weh.“
Dubravko Prelcec: „Die Rolle des Underdogs passt uns ganz gut. Wir haben alles Herzblut in diese Partie gelegt. In Mareike Vogel hatte wir einen überragenden Rückhalt, der uns in der Schlussphase mit dem parierten Strafwurf den Sieg gerettet hat. Großer Pluspunkt meiner Mannschaft: Sie gibt nie auf. Wir wissen, wo unsere Baustellen sind, und versuchen, diese weiter zu minimieren. Die intensive Spielweise kostet meine Spielerin aber viel Kraft; Maj Nielsen muss beispielsweise auf der Rechtsaußenposition durchpowern, solange Julia Herbst und Marthe Nicolai noch fehlen. Deswegen können wir momentan den Level aus der Anfangsphase keine 60 Minuten durchhalten. Die frühe hohe Führung war aber wichtig für uns, davon haben wir in der Schlussphase gezehrt, und sie hat auch den Gegner lange nervös gemacht. Aber wenn meinen Mädels die Puste ausgeht, dann arbeitet der Kopf auch nicht mehr mit, und sie verfallen in alte Abläufe. Ich hoffe, der Sieg war ein Push fürs nächste Spiel in Leverkusen.“
Mareike Vogel: „Diese Punkte wollten wir unbedingt. Wir wussten, dass wir Chancen haben, und sind deswegen wirklich voll fokussiert ins Spiel gegangen. Klar freue ich mich auch über meine Leistung. Ich bin selbst etwas überrascht, wie schnell ich wieder nach der Verletzung auf dem Weg zu alter Leistungsstärke bin. Über einige Gegentore in diesem Spiel ärgere ich mich allerdings gewaltig. Den Außenwerferinnen biete ich natürlich immer Ecken an. Dass die dann zweimal hintereinander auch in die angebotene kurze Ecke treffen, weil ich zu langsam bin, nervt mich.“
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Von Kathrin Röhlke