Amtsgericht Winsen stellte Verfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges gegen Kellnerin ein

Winsen. Gewerbsmäßiger Betrug in fünf Fällen – so lautete die Anklage gegen Despoina T. aus Seevetal. Die heute 48-jährige Griechin soll vom 27. November 2018 bis zum 2. April 2019 insgesamt 5953,90 Euro zu Unrecht von der Krankenkasse bezogen haben. In der Zeit war die Kellnerin wegen chronischer Rückenschmerzen krankgeschrieben, soll aber dennoch gearbeitet haben.
„Das Krankengeld war eine nicht unerhebliche Einnahmequelle, obwohl sie in Hamburg als Kellnerin tätig war“, sagte der Staatsanwalt gestern Mittag zu Beginn der Verhandlung vor dem Winsener Amtsgericht. Später war er der Erste, der seine Bereitschaft erklärte, das Verfahren gegen eine Zahlung von 1000 Euro an die Staatskasse einzustellen – was die Richterin am Ende auch so beschloss. Doch alles der Reihe nach.
Gelernt hat Despoina T. Krankenschwesterhelferin, nach eigenen Angaben hat sie aber nie in dem Beruf gearbeitet. Geboren in Griechenland, lebte sie schon einmal von 1995 bis 2007 in Deutschland, ging dann zurück in ihr Heimatland, um 2010 zusammen mit ihren zwei Söhnen – heute 20 und 15 Jahre alt – erneut nach Deutschland zu kommen. Die geschiedene Frau jobbte in Hamburg als Kellnerin, hatte mehrere Bandscheiben-OPs, lernte dann 2013 ihren jetzigen Lebensgefährten kennen. Dieser war es auch, der Ende 2018 ein neues Restaurant eröffnete, in dem Despoina T. dann laut Anklage trotz gleichzeitigen Bezuges von Krankengeld beschäftigt war.
Der Krankenkasse gemeldet hatte dies im April 2019 Eliona K., eine Bekannte, die damals selbst in der Gaststätte kellnerte. Sie sagte gestern als Zeugin gegen Despoina T. aus. Zuvor schilderte die Angeklagte die Ereignisse aus ihrer Sicht.
„Ich habe meinen Partner unterstützt“, sagte die Griechin. Und beschrieb, wie das ausgesehen habe: Zum einen habe sie der in der Gastronomie völlig unerfahrenen Eliona K. gezeigt, wie man kellnert. Auch habe sie die Frau, die damals zusammen mit ihrem Mann bei ihnen wohnte, öfter zur Arbeit gefahren, da diese keinen Führerschein habe. Und sie habe ihrem Partner auch repräsentativ beigestanden, da unter den Kunden der neuen Gastronomie auch viele waren, die sie von ihren früheren Tätigkeiten her kannte. „Ich habe den Kontakt zu den Gästen gepflegt“, erklärte sie.
Nur Hilfsdienste, kein Job
Sie habe aber nicht selbst gekellnert, sei weder angestellt noch dafür bezahlt worden, beteuerte sie. Ob sie den Gästen Essen an den Tisch gebracht habe? „Nur um zu zeigen, wie das geht“, so die langjährige Kellnerin, die mittlerweile aus gesundheitlichen Gründen in Frührente gegangen ist. Die Hilfsdienste, die sie geleistet habe, auch die Unterstützung bei der Ausbildung der ungelernten Eliona K., seien kein Job gewesen, so ihre Selbsteinschätzung. „Das war für mich Familie“, sagte sie. Das kleine Unternehmen ihres Partners hatte nur zwei Beschäftigte, nämlich das Ehepaar K. Warum die ehemalige Mitarbeiterin Eliona K. sie bei der Krankenkasse angeschwärzt habe, konnte oder wollte die Angeklagte nicht beantworten. „Sie war wütend und enttäuscht“, sagte sie nur.
Warum dies so war, wurde bei der anschließenden Befragung der Belastungszeugin deutlich: Eliona K. und ihr Mann seien vom Partner der Angeklagten nicht bezahlt worden, berichtete sie. Deshalb stieg das Ehepaar Ende Februar aus und strengte eine zivilgerichtliche Klage an, um so an seinen Lohn zu kommen. Kurz danach kam dann der Hinweis an die Krankenkasse. Eine Rache-Aktion? Die Zeugin belastete die Angeklagte schwer, aber nicht immer auf glaubwürdige Art. Die Angeklagte habe von Freitag bis Sonntag ganze Schichten voll gearbeitet und sei dafür auch bezahlt worden, so die Zeugin. Despoina T. habe Bestellungen aufgenommen und auch selbst serviert. Sie selbst habe überhaupt keine Erfahrung als Kellnerin gehabt, räumte die 36-jährige Eliona K. vor Gericht ein. Den Job habe sie nur angenommen, um einen Beschäftigungsnachweis zu haben. Den brauchte das Eheepaar, um eine Wohnung in Hamburg zu bekommen.
Datenschutz als Vorwand
Aus eben diesem Grund hätten die Angeklagte und ihr Partner dem Ehepaar auch bescheinigt, dass sie bei ihnen wohnten. Wirklich gewohnt habe sie aber nie bei der Angeklagten, sondern bei einer anderen Freundin. Auf Nachfrage der Richterin, bei wem sie denn gewohnt habe, schwieg die Zeugin und berief sich dabei auf den Daten-schutz – ein Einwand, den die Richterin nicht gelten ließ. „Sie müssen schon Auskunft geben“, stellte sie klar, verzichtete aber vorerst auf weitere Nachfragen.
Dass die Angeklagte sie öfter zur Arbeit gebracht habe, bestritt die Zeugin vehement. Zuerst sagte sie, sie sei selbst gefahren, später räumte sie ein, dass sie keine in Deutschland gültige Fahrerlaubnis habe und immer mit ihrem Mann zusammen gefahren sei. Ihr Mann habe jeden Tag in der Gaststätte gearbeitet, sie an fünf Tagen in der Woche mitgenommen. Die Nachfrage der Richterin, ob sie immer gleichzeitig mit ihrem Mann angefangen habe, blieb unbeantwortet. Als dann der Staatsanwalt nachfragte, ob die Zeugin mitbekommen habe, dass die Angeklagte für das Kellnern bezahlt worden sei, bejahte Eliona K. dies: „Der Chef hat ihr Bargeld gegeben, wir haben keines bekommen!“
Spätestens an dieser Stelle war die Glaubwürdigkeit der Zeugin stark angeknackst. Die Richterin entließ sie und beriet sich kurz mit dem Staatsanwalt und dem Pflichtverteidiger der Angeklagten. Machte es Sinn, auch noch den Mann von Eliona K. zu hören? Man wurde sich schnell einig, dass hier Aussage gegen Aussage steht und die Zeugin wie auch ihr Mann keineswegs unparteiisch seien. Eine gewerbsmäßige Tätigkeit der Angeklagten sei wegen des Fehlens glaubwürdiger Zeugen kaum nachzuweisen. Auch wenn die Wahrheit vermutlich „in der Mitte“ liege, wie die Richterin meinte. Deshalb ging sie auf den Vorschlag der Staatsanwaltschaft ein, das Verfahren gegen eine Zahlung von 1000 Euro einzustellen. Damit waren auch Verteidiger und Angeklagte zufrieden. Ganz aus der Welt ist die Sache aber noch nicht: Die Krankenkasse führt einen Zivilprozess gegen die Angeklagte, bei dem es um die Rückzahlung des Krankengeldes geht. Von Rainer Krey